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texte von marco camenisch

 
Prozesserklärung
  Geschworenengericht ZH 10.5.2004

Vor der oligarchischen Klassenjustiz im Prozess 1981 in Chur gab es eine ausführliche Erklärung.
Das ist hier nicht mehr notwendig. Diese Erklärung, die hier u. a. zu den Akten gegeben werden möchte und weitere öffentliche Erklärungen, Stellungnahmen und Schriften eines Zeitraumes von nun fast 25 Jahren sind grösstenteils in verschiedenen Sprachen auch im Internet abrufbar. Ausserdem gibt es Wörterbücher zuhauf.

Seit dieser alten Erklärung hat sich viel verändert, aber nichts Grundsätzliches.

 
 

Meine persönliche und politische Identität hat sich klarer verfestigt. Ich bin solidarischer Teil des Anti-AKW-Widerstandes, des sozial-ökologischen Widerstandes und revolutionären Befreiungskampfes gegen Klassenherrschaft und gegen die Ausbeutung des Menschen und der Natur. Klarer und bestimmter ist meine Identität als revolutionärer, aufständischer, anti-patriarchaler, radikal zivilisationskritischer und grüner Anarchist. Als solcher stehe ich solidarisch zum revolutionären Befreiungskampf der Völker allgemein und darin spezifischer zu den Kämpfen einerseits der sog. indigenen Völker der Erde für Freiheit, Selbstbestimmung, Identität, Würde, Boden und Gebiet und andererseits zu den Inhalten, zur Praxis und zu den Zielen der ELF-ALF und der anderen Ausdrücken des anti-patriarchalen, antiautoritären und radikal zivilisationskritischen Befreiungskampfes. ELF-ALF steht hier für Earth Liberation Front und Animal Liberation Front.

Schwerwiegend verändert hat sich das Ausmass und die Qualität der Zerstörung der Gesellschaften, der natürlichen Umwelt und der Ausweitung des imperialistischen Krieges durch den auf allen Ebenen immer dreister rechtsextreme, patriarchalische, rassistische, technologische und totalitäre Kapitalismus und Staat. Der schon ewig andauernde Eroberungs-, Ausbeutungs- und Zerstörungskrieg durch die jeweils Herrschenden der Welt wird immer umfassender, mördenscher und endgültiger. Die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit und der Ausweitung des revolutionären Befreiungskampfes gegen jegliche Ausbeutung des Menschen und der Natur liegt auf der Hand und ist entsprechend dramatisch gewachsen. Entsprechend härter und brutaler wird auf allen Ebenen und mit allen Mitteln die Repression der Herrschenden und ihrer Schergen gegenjeden Widerstand und Befreiungskampf.

 
 

Die Klassenjustiz der Herren des Geldes ist eines der Mittel dieser Repression und dieses Krieges mittels vorherrschender Definitionsgewalt und Waffengewalt. Somit stehe ich als Kriegsgefangener und als politischer Gefangener aus dem Widerstand und dem revolutionären Befreiungskampf hier, wo mit Politik Theorie und Praxis gemeint ist, die einerseits die Veränderung der herrschenden Unordnung, die Abschaffung der Ungerechtigkeit, der Macht, der Herrschaft, des imperialistischen Krieges, der Ausbeutung und Zerstörung des Menschen und der Natur und andererseits die Wiederherstellung einer gerechten, natürlichen und friedlichen Welt für alle Lebewesen als Zweck und als Ziel hat.

Das hat natürlich mit "Politik" als Fortführung des allgemeinen Vernichtungs- und Ausbeutungskrieges mit anderen Mitteln zur sozialen Befriedung nichts zu tun, nichts zu tun mit Politik als institutionalisierter und scheindemokratischer Lobbyismus zur Durchsetzung der hass egoistischen, skrupellosen und besonders verwerflichen kapitalistischen Interessen und Zerstörungen, nichts zu tun mit Politik als Durchsetzung der massiven Umverteilung der politischen und gesellschaftlichen Macht und des gesellschaftlichen Reichtums von Unten nach Oben, nichts zu tun mit Politik als irreflihrende und lügnerische Verfälschung und Verharmlosung einer allgemeinen Wirklichkeit, die aus der konstanten militärischen und moralischen Bedrohung, Erpressung, Unterdrückung und Zerstörung der Gesellschaften und der Natur durch die privaten und staatlichen Monopole auf Eigentum, Gewalt und Definition aller Dinge besteht.

Da die Klassenjustiz, als ein hervorragendes dieser repressiven Definitions- und Gewaitmonopole, als ein hervorragender politisch-militärischer Repressionsapparat der juristischen Erfindungen Eigentum und Staat, dazu da ist um diese Wirklichkeit durchzusetzen, zu rechtfertigen und zu verharmlosen und um die legitimen und notwendigen Theorien und Kämpfe dagegen zu verneinen oder jedenfalls zu verfälschen, zu verleumden und als Delikte zu bezeichnen und zu verfolgen, kann ich ihr und damit selbstverständlich auch diesem Gericht und schon gar nicht den sog. Strafverfolgungsbehörden keinerlei soziale, politische, ethische und moralische Legitimation anerkennen.

 
 

Darum stehe ich auch nicht als Angeklagter oder, genauer, keinesfalls zur Diskussion und Infragestellung der Legitimität der Anwendung von Gegengewalt, von Verteidigung und Angriff auf der individuellen und kollektiven Ebene des Befreiungskampfes hier.

Es liegt aber im inneren Gegensatz der totalitären Institution Klassenjustiz, dass sie zur eigenen gesellschaftlichen und politischen Legitimation und Funktion einer wenigstens teilweise substantiellen öffentlichen und gesellschaftlichen Kontrolle und Kritik ausgesetzt ist, wo das Definitionsmonopol nicht vollständig und nicht immer greifen kann.

In diesem Gegensatz ist der Ort, wo ich ausser die oben schon genannte Erklärung von Chur eine weitere kürzlich veröffentlichte Erklärung diesem Gericht zu den Akten und auf Wunsch weiterer Öffentlichkeit zur Kenntnisnahme geben möchte. In dieser kürzlich veröffentlichten Erklärung gehe ich fragmentarisch näher auf Gegenstände ein, die für dieses Verfahren als relevant betrachtet werden

können und auf die ich in der vorliegenden kurzen Erklärung bloss andeutungsweise eingegangen bin. Der jetzt vorliegenden leicht gekürzten Version dieser neueren Erklärung fehlen nur einige für dieses Verfahren nicht relevante Teile, die aber wie schon gesagt öffentlich zugänglich sind.

In diesem Gegensatz ist weiter, mindestens ansatzweise, ein freudiger Ort der solidarischen Begegnung mit meinen grösstenteils persönlich noch nicht bekannten FreundInnen und GenossInnen.

 
 

Es ist der Ort meiner revolutionären Pflicht zur aufmerksamen technischen Verfolgung und eventuell zum weiteren Eingriff in dieses Verfahren, um meinen Beitrag zu leisten um der allmächtigen Staatsraison und ihrer Negierung und Verfälschung der Wahrheit, vielleicht sogar zur Verdeckung eines eigenen blutigen inneren Gegensatzes, meine menschliche und revolutionäre Integrität entgegenzusetzen.

Es ist der Ort, um gegen die Negierung und Verleumdung meines revolutionären Einsatzes und damit des revolutionären Widerstandes und Kampfes allgemein aufzuzeigen, dass keine Klassenjustiz jemals ein Ort der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Lösung von sozialen Konflikten und Ungerechtigkeiten sein kann, weil sie in ihre Rolle zur Durchsetzung der Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Ausbeutung soziale Konflikte und individuelles und kollektives Leiden geradezu hervorruft und/oder verschärft.

Zu dieser revolutionären individuellen und kollektiven Pflicht gegenüber mir, den mir persönlich, sozial und politisch nahen und solidarischen Leuten und allgemein dem Widerstand und revolutionären Kampf gehört, dass ich hier klar und deutlich erkläre, dass ich in der vollumfänglichen Übernahme der Verantwortung eines auch bewaffnet kämpfenden Revolutionärs niemals kriegsverbrecherische Tötungen oder Hinrichtungen von militärischen Gegnern und schon gar nicht von unbeteiligten Menschen vorgenommen habe, dass ich niemals unbewaffnete, entwaffnete, wehrlose, gefangene Gegner oder Gegner, die weder durch Waffen noch durch Macht über Waffen mich oder andere tödlich bedroht haben je getötet habe. Und schon gar nicht habe ich wehrlosen am Boden liegenden Gegnern in den Kopf geschossen oder gar auf sie "eingeginggt". Solche Niedertracht ist für mich schlicht nicht denkbar. Auch auf das Rote Kreuz habe ich niemals geschossen, und selbstverständlich habe ich auch nie einem flüchtenden und vielleicht dazu noch unbewaffneten Menschen oder Gegner in den Rücken geschossen. . . Und ich hätte solche Verbrechen gegen die Menschheit auch mit einer staatlichen Lizenz zum Töten und in irgend einer Uniform je begehen können!

Im Gegenteil, in meiner ganzen Härte und Bestimmtheit im revolutionären Kampf, die ich mir in langen Jahren und vielerorts angeeignet hatte, habe ich, und das ist gerichtsnotorisch, eine Praxis klar unter Beweis gestellt, die das Leben des militärischen Gegners auch unter Inkaufnahme eines viel höheren Risikos für mein eigenes Leben, meine eigene Unversehrtheit und Freiheit möglichst schützen wollte. Und zwar indem ich mich anlässlich der militärischen Auseinandersetzung in Massa, Italien, auf den Versuch beschränkt habe, einen auf allen Ebenen überlegenen Gegner punktgenau, absichtlich und aus nächster Nähe bloss mit zwei Schüssen in den Arm zu neutralisieren, mit dem er die eigene Waffe ergreifen wollte. Deswegen wurde ich verletzt, gefangengenommen und stehe nun hier.

Abschliessend möchte ich hier auch noch ganz klar und deutlich sagen, dass ich für die Tötung, in Brusio 1989, des zum Töten wohlausgebildeten und -bewaffneten Soldaten des Staates der bürgerlichen Industrie- und Finanzoligarchie der Schweiz, Herrn Moser, in keiner Art und Weise verantwortlich bin!


Marco Camenisch, geb. 21.01.1952 in Schiers, Schweiz.