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Medieninfo zur Pressekonferenz von augenauf Basel, 22. September 2000

Die Ausschaffung von Ali X in den Libanon

augenauf Basel hat eine Strafanzeige wegen Nötigung, Tätlichkeit, einfacher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Gefährdung des Lebens gegen Regierungsrat Andreas Koellreuter und weitere unbekannte Personen eingereicht. Zudem haben wir eine Aufsichtsbeschwerde gegen die fehlbaren Mitarbeiter der Polizei des Kantons Baselland wegen der Ausschaffung von Ali X eingereicht und beantragen, dass festgestellt wird, dass die Haftbedingungen, unter denen Ali X in Liestal festgehalten wurde, rechtswidrig sind.

Vorgeschichte

Die genauere Vorgeschichte Ali X's sind unsern Pressecommuniqués vom 6., vom 14. und vom 18. August 2000 zu entnehmen. Der Mann wurde als Ausschaffungshäftling unter rechtswidrigen Bedingungen in Liestal im Bezirksgefängnis festgehalten. augenauf besuchte ihn mehrmals, protestierte dagegen, dass seine Post geöffnet und kopiert wurde, dass ein Besuch nur mit Trennscheibe möglich war etc.
Ali X's Gesundheitszustand war prekär. Die Folgen einer Schussverletzung am Hals erschweren ihm das Sprechen. Er leidet unter Atemnot und Panikzuständen und ist von seinen Erlebnissen mit der syrischen Geheimpolizei traumatisiert. Die Forderung von augenauf, ihn durch einen unabhängigen Arzt untersuchen zu lassen, wurde mehrmals abgeschmettert.
Am Tag vor der Ausschaffung wurde der damalige Anwalt Ali X's über die bevorstehende Abschiebung informiert. Noch einmal setzten wir alle Hebel in Bewegung, um diese zu verhindern, da Ali X in einer sehr schlechten körperlichen und psychischen Verfassung war (siehe Schreiben vom 18. August zu Handen der Fremdenpolizei).

Die Fremdenpolizei des Kantons Baselland wusste also, dass diese Ausschaffung unter Beobachtung der Öffentlichkeit stattfand. Man würde annehmen, dass dies zu einem vorsichtigen Handeln von Seiten der Behörden führen würde. Doch weit gefehlt. Die Baselbieter Behörden schafften den Mann mit massiver Gewalt nach Beirut aus, wo Ali X umgehend für zehn Tage inhaftiert wurde. Hier der Bericht, den der Ausgeschaffte uns aus dem Libanon zukommen liess:

«Einen Tag vor meiner Ausschaffung schickte mir der Anwalt am Nachmittag einen Brief, um mich zu informieren (...) Kurz nach Ankunft des Briefes kam die Polizei. Sie waren zu dritt und überführten mich ins Gefängnis Liestal. Sie haben mich in einem sehr kleinen Zimmer untergebracht. Etwas später brachten sie mir Handschellen und haben mich mit diesen an den Händen gefesselt. Die Füsse wurden mir mit Plastikband zusammengebunden. Sie haben mir eine Kappe auf den Kopf gesetzt, die ebenfalls den Hals bedeckte.
Dann begannen sie mich mit Polizeistöcken zu schlagen, gaben mir Fusstritte und schlugen mit Fäusten auf mich ein. Sie waren gnadenlos. Nach ca. einer Stunde brachten sie mich in ein Zimmer, in welchem eine Kamera installiert war. Dann brachten sie eine Bodenmatte. Sie wickelten und banden mich darin ein für ca. 2 Stunden. Danach kamen zwei Personen, einer davon arbeitet im Gefängnis. Dieser verursachte mir Schmerzen an den Füssen, während der andere mir die Handschellen an den Füssen befestigte. Er ist derjenige, der mit mir nach Libanon gekommen ist. Dann nahmen sie die Bodenmatte mit und liessen mich bis am morgen auf dem Boden schlafen/liegen. Sie gaben mir eine schwarze Tablette und sagten, dies sei gegen die Schmerzen. Am Morgen kamen drei Personen und nahmen mich nach Genf, mit den Handschellen an den Händen. (...) Das ist alles, an was ich mich erinnern kann, denn ich war schwindlig von der schwarzen Tablette, die sie mir in der Nacht gegeben haben.»

augenauf ist im Besitz des Gutachtens des Gerichtsmedizinarztes, der Ali X nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis am 31. August untersucht hat. Dieser stellt diverse nach wie vor schmerzhafte Quetschwunden und Prellungen an Kopf, Nase, an den Hand- und Fussgelenken sowie am Oberschenkel fest und verordnet Behandlung sowie zwei Wochen Bettruhe. Das Gutachten liegt den Presseunterlagen bei.

Die politische Dimension

Die Behörden des Kantons Baselland haben ihre brutalen Prügler vorgeschickt, die einen Mann spitalreif geschlagen haben. Sie haben dies getan im Bewusstsein, dass eine Menschenrechtsgruppe ihr Augenmerk auf diese Ausschaffung richtete. Was lässt dies für Schlüsse zu?

Man scheint das Verprügeln von Ausschaffungshäftlingen und auch anderer Personen im Polizeikorps des Kantons Baselland ganz offensichtlich normal zu finden. In diese Richtung weisen auch die Aussagen des Einsatzleiters der Polizei, Erich Wagner, der das polizeiliche Vorgehen an der Antirassismus-Demonstration vom 9. September leitete. In einem Interview in der Basler Zeitung vom 12. September antwortet er auf die Frage «Wie beurteilen Sie die Gerüchte, dass die Polizei zahlreiche Sympathisanten der rechten Szene in ihren Reihen hat?»: «Schauen Sie: Die Polizei Baselland hat rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich kann nicht für jeden Einzelnen die Hand ins Feuer legen. Bedenken Sie, welche Erfahrungen diese Leute in ihrer Laufbahn machen, mit was für Leuten sie sich herumschlagen müssen...» Dies legt den Schluss nahe, dass der brutale Übergriff auf Ali X ein Racheakt dafür war, dass einer «dieser Leute»; sich getraute, sich zu wehren.

Wird dieses Vorgehen nun von den politischen Verantwortlichen ebenfalls gedeckt?
augenauf wurde von den OrganisatorInnen der Antirassismus-Demonstration vom 9. September, der IG gegen Rechts & Co., eingeladen, an der Schlusskundgebung eine Rede zu halten. FDP-Regierungsrat Andreas Koellreuter machte seine eigene Teilnahme an der Schlusskundgebung davon abhängig, dass augenauf nicht zu einem konkreten Fall spreche. Bei diesem Fall handelte es sich selbstverständlich um die Ausschaffung Ali X's. Mit andern Worten: Er wollte verhindern, dass augenauf einen Fall von menschenverachtendem Verhalten der Basellandschaftlichen Behörden dokumentierte, für den er, Regierungsrat Andreas Koellreuter, politisch verantwortlich ist. Dass augenauf sich keinen Maulkorb umbinden liess, versteht sich von selbst. Selbstverständlich hielten wir die Rede, die wir halten wollten, und nicht eine, die Herrn Koellreuter genehm gewesen wäre.

Aus diesem Grund begnügen wir uns nicht damit, die an der Ausschaffung beteiligten, prügelnden Polizisten einzuklagen, sondern richten unsere Strafanzeige auch gegen Regierungsrat Andreas Koellreuter. Da wir Zweifel an der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft in Liestal hegen, beantragen wir in unserer Strafklage, dass die Anzeige von einer ausserkantonalen Stelle oder einem anderen Statthalteramt untersucht wird.

Zu diesen Zweifeln beigetragen hat nicht zuletzt der Beitrag des Regionaljournals vom 20. September. Darin nahm der Direktionssekretär des Justiz-, Polizei- und Militärdepartements, Stephan Mathis, zu den Vorwürfen von augenauf Stellung. Er behauptete unverfroren, es existiere kein Arztzeugnis aus dem Libanon, und falls es doch eines gäbe, sei es nichts wert. Der Gerichtsmedizinarzt W.A.S. wird sich bedanken für diese rassistische Äusserung.

Das Bundesamt für Flüchtlinge

Das BFF kam in seinem Nichteintretensentscheid auf das Asylgesuch Ali X's vom 14. Juli 2000 (gegen den augenauf Basel im Übrigen ebenfalls rekurriert hat) zum Schluss, dass nichts gegen eine Rückkehr Ali X's in den Libanon spreche. Es drohe ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung.

Wir gehen davon aus, dass die Schweizer Behörden abstreiten werden, für die Verletzungen verantwortlich zu sein. Aber: Ali X. wurde von den Schweizern direkt den libanesischen Gefängnismitarbeitern übergeben. Mit der allfälligen Schutzbehauptung, die Verletzungen stammten aus dem Libanon, müssten sie verantworten, einen ihrer Obhut unterstellten Mann in Gefahr und Not ausgeliefert zu haben, statt ihn, wie zuvor behauptet, in ein sicheres Land zurückzuführen.

Ein weiteres Detail aus dem BFF: Am 21. August, also zwei Tage nach der Ausschaffung, erhielt die Schweizer Schwiegermutter des im Kanton Bern lebenden Bruders von Ali X ein äusserst seltsames Telefonat. Der für den Libanon zuständige Sachbearbeiter des BFF, Herr T. Zeidan, rief an und wurde sehr ausfällig. Über dieses Gespräch erstellten Mutter und Tochter ein Gedächtnisprotokoll. T. Zeidan behauptete, die ganze Familie X sei kriminell. Jedes Mal, wenn er an diese Familie denke, bekomme er Bauchweh. Das Dorf, aus dem die Familie stammt, sei im Libanon verschrieen als Hort von Kriminellen und Kindsentführern. Weiter behauptete er, Ali X in den Libanon begleitet zu haben, was jedoch nicht stimmt. Ob dieser Mann eine persönliche Rechnung mit der Familie X offen hat, wissen wir nicht. Es bleibt nur zu hoffen, dass er nicht auf Anweisung seiner Vorgesetzten handelte.

augenauf Basel

Anmerkung: Der Name des Betroffenen, sowie derjenige des Arztes wurden aus Gründen des Datenschutzes für die Web-Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

siehe auch: Weitere Materialien zum Fall Ali X
Die Ausschaffung von Ali X ist unverantwortbar
(Medieninfo von augenauf Basel, 18. August 2000)

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