Die Leiterin der Asylunterkünfte Dornach (SO) tritt zurück
Chronik eines lange überfälligen Rücktritts
Jahrelang haben die Auseinandersetzungen zwischen der Leiterin der Asylunterkünfte Dornach, Corrie K., und den Bewohnern der Heime gedauert. Nun sind sie endlich vorbei. Corrie K. hat demissioniert. Aktionen und Pressearbeit von augenauf und den betroffenen Flüchtlingen haben zu Aufruhr in der kleinen, reichen Solothurner Gemeinde geführt, in der Flüchtlinge im Container gehalten werden und in der soeben der Steuersatz gesenkt wurde.
30. November 1999: augenauf Basel nimmt die Filmpremiere des von der Gemeinde Dornach finanzierten Films „Leben in Dornach" zum Anlass, um die Dornacher Bevölkerung über die Schattenseiten des Lebens in Dornach aufzuklären. Die Flüchtlinge, die in den Asylunterkünften in Dornach leben, beklagen sich, unwürdiger als die Tiere gehalten zu werden. Deshalb verteilt augenauf ein Flugblatt und informiert die regionale Presse. Auszug aus dem Flugblatt:
„Seit Jahren ist das Leben in den Asylunterkünften im Dorf von einer feindlichen, rassistischen und diskriminierenden Atmosphäre geprägt. Der Alltag wird durch die Leiterin, Frau K., dominiert. Alle zuständigen Stellen und Gremien in Dornach wissen dies. Die Caritas hat aus diesem Grund schon vor Monaten angeboten, die Leitung der Unterkünfte zu übernehmen. Die beiden Pfarrämter wurden bei der Gemeinde vorstellig, weil sie mit immer wiederkehrenden Klagen der HeimbewohnerInnen konfrontiert wurden.
Was sind die konkreten Vorwürfe?
- Corrie K. verweigert dringend notwendige Arztbesuche von Flüchtlingen und verteilt stattdessen willkürlich rezeptpflichtige Medikamente an die Kranken.
- Sie führt zu jeder Tages- und Nachtzeit Anwesenheitskontrollen durch. Es ist keine Seltenheit, dass sie morgens um 2 Uhr in den Zimmern erscheint und den Leuten die Bettdecke wegzieht. Trifft sie jemanden nicht an, wird das Bettzeug beschlagnahmt, und die Leute müssen die nächste Zeit ohne zurechtkommen.
- Wer bei der Taschengeldausgabe nicht anwesend ist (auch bei regulärer Abmeldung), erhält nichts.
- Kommt Corrie K. zum Schluss, dass jemand seine Putzpflichten vernachlässigt, greift sie zur Kollektivstrafe für die ganze Gruppe und kürzt das karge Taschengeld aller.
- Sie ignoriert das Postgeheimnis und öffnet Briefe an die BewohnerInnen – sowohl solche von offiziellen Behörden als auch Privatkorrespondenz."
Zudem sind die baulichen und ausstattungsmässigen Gegebenheiten im Container, in dem die meisten Flüchtlinge leben, katastrophal. Es wimmelt von Kakerlaken, die Heizungen heizen nur teilweise, beim Kochherd funktionieren nicht alle Kochplatten, der Abzug hat den Geist schon lange aufgegeben. Von den etwa 20 Neonröhren im Gemeinschaftsraum funktioniert noch genau eine, und heireinregnen tut’s auch.
augenauf fordert im Flugblatt:
- die sofortige Suspendierung der Heimleiterin
- eine Untersuchung der Vorfälle und
- die Offenlegung der Buchhaltung.
Presse und Gemeinde reagieren
„Vorwürfe zwingen Dornach zum Handeln", „Leiterin im Schussfeld der Kritik" titeln die Blätter der Region und berichten über die Aktion von augenauf. Aufgrund des Drucks sieht sich der Gemeindepräsident von Dornach, Hans Walter (FDP), gezwungen, eine Untersuchung einzuleiten. Er gibt sich empört und redet von einem Schreiben einer anonymen Gruppe (Das Flugblatt ist mit augenauf, Postfach und Telefonnummer unterschrieben). Der Presse gegenüber bestreitet er, schon früher von den Problemen gehört zu haben – wobei er nachweislich lügt. Er sagt einzig, dass die Leiterin „bei der Durchsetzung der Hausordnung eher ein Feldwebel als eine Soldatenmutter" sei. Dass er die Leiterin jahrelang gedeckt hat, obwohl er von verschiedenen Seiten mehrfach auf die Schwierigkeiten hingewiesen worden ist, verschweigt er.
4. Januar 2000: Die Untersuchung ist abgeschlossen. Der Kanton Solothurn hat die Buchhaltung der Unterkünfte überprüft – die andern Vorwürfe sind von der Gemeinde selbst untersucht worden. Zwei Flüchtlinge und die Betreuerin sind von der Asylberwerberkommission und Gemeindeangestellten befragt worden. Das Resultat erstaunt nicht weiter: Einzig im Bereich, den der Kanton untersucht hat, wird festgestellt „dass das Asylabrechnungswesen fehlerhaft und lückenhaft umgesetzt" worden ist. Die Gemeinde stellt fest, „dass die Vorwürfe an die weiterhin das volle Vertauen der Gemeinderatskommission geniessende Asylbewerberbetreuerin, soweit sie sich auf strafrechtlich relevante Sachverhalte beziehen, nicht zutreffen", dass jedoch die „bauliche und ausstattungsmässige Situation in der Unterkunft mangelhaft ist".
Aber: Corrie K. verlässt per 31. Januar 2000 – „unter bester Verdankung der geleisteten Dienste" – die Asylunterkünfte.
Jubel unter den Flüchtlingen
Die Gemeinde erachtet es nicht für nötig, die Bewohner der Unterkünfte zu informieren. augenauf besucht die Flüchtlinge am Mittag desselben Tages und teilt ihnen mit, dass die verhasste Leiterin per Ende Monat ihren Job los ist. Jubel bricht los. Ein Sieg, an den kaum jemand der Bewohner mehr geglaubt hat – die Frau muss ihren Posten räumen.
Es dauert auch nur wenige Tage, bis die ersten Handwerker im Container auftauchen, das defekte Dach reparieren, gross angelegte Desinfektionsmassnahmen einleiten, Lampen flicken und ersetzen. Gleichzeitig wird das Baugesuch für einen Neubau vorangetrieben. Auszahlungen werden neuerdings pünktlich und mit zwei anwesenden AuszahlerInnen vorgenommen – alleiniges Auszahlen ist streng verboten. Klappt es einmal nicht, genügt ein Telefonanruf an die Gemeinde, und die Auszahlung wird korrekt vorgenommen.
augenauf Basel freut sich natürlich auch über den Rücktritt und die eingeleiteten Massnahmen. Doch in der Stellungnahme stellen wir auch fest (Auszug): „Wenn die Untersuchungskommission von einer fehlerhaft geführten und lückenhaft umgesetzten Buchhaltung schreibt und wenn ab sofort ein Revisor zugezogen wird, sieht sich augenauf in seinen Vorwürfen dort bestätigt, wo es schriftliche Beweise gibt. Dies ist im Bereich der schikanösen Kontrollen und der Medikamentenabgabe nicht möglich – dort steht immer Aussage gegen Aussage. Offensichtlich werden die Aussagen der Leiterin stärker gewichtet als diejenigen der betroffenen Flüchtlinge. augenauf Basel kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gemeinde das Problem mit der Leiterin der Unterkünfte lösen wollte, ohne gegen diese Stellung zu beziehen, weil die Gemeinde sich damit selbst disqualifiziert hätte. Die Vorfälle in Dornach sind seit Jahren bekannt – nicht zuletzt deshalb wurde eine Asylbewerberkommission ins Leben gerufen, die ihrerseits jedoch auch untätig blieb. Dadurch, dass die Gemeinde der Leiterin der Unterkünfte nahelegte zu kündigen und ihr eine schöne Abfindungssumme zusprach, ist sie den Weg des geringsten Widerstandes gegangen."
Kopfprämien für die Lagerverwalterin
Corrie K., die eine 50-Prozent-Stelle in Dornach innegehabt hat, wird der Abgang mit 8000 Franken vergoldet. Diejenige Frau, welche die Flüchtlinge über Jahre schikanierte und ihnen Geld vorenthielt, wird belohnt, die Bewohner kriegen weiterhin ihr karges Tagesgeld von 13.10 Franken.
K.s Abgang ändert auf jeden Fall einiges im Alltag der Flüchtlinge. Doch am System, wie es in Dornach gehandhabt wird, ändert sich wenig:
- K.s Gehalt hat sich aus einem Grundlohn zusammengesetzt, der mit einer Prämie für jeden im Heim lebenden Flüchtling ergänzt worden ist. Im Klartext: Je mehr Flüchtlinge, desto höher der Lohn; Kopfprämien wird dieses System genannt. Bis anhin steht eine Änderung der Gehaltszusammensetzung nicht zur Diskussion.
- Die Asylbewerberkommission, die 1998 gegründet worden ist, wird zwar von drei auf fünf Personen aufgestockt. Die Gemeinderatsversammlung, an der dies beschlossen worden ist, lässt für viel Hoffnung allerdings keinen Raum. Das Traktandum ist innerhalb weniger Minuten abgehandelt worden – Wortmeldungen grundsätzlicher Art hat es keine gegeben.
- Im Kanton Solothurn bleibt das unbeschränkte Arbeitsverbot für Flüchtlinge weiterhin bestehen – eine noch restriktivere Haltung als in den allermeisten andern Schweizer Kantonen.
Widerstand macht sich bezahlt
Der Gemeinde Dornach hat bei der Bewältigung des "Skandals K." die Möglichkeit nicht ergriffen, ihren Umgang mit den Flüchtlingen in der Gemeinde zu ändern. Gemeindepräsident Walter ist vor allem daran gelegen, möglichst schnell wieder aus den Schlagzeilen zu verschwinden und die ganze Sache vergessen zu könne. Kann er auch, tritt er doch per Ende März selbst zurück.
Doch trotz alledem: Die Aktion in Dornach hat gezeigt: Widerstand lohnt sich, mit beharrlichem Insistieren und öffentlichen Aktionen lässt sich etwas erreichen. augenauf bleibt dran.
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