Basellandschaftliche ZeitungErschienen am: 4.03.2002


Misere: Schuldige gesucht

KRITIK AN UNTERKUNFT / Die Platzverhältnisse in einer Münchensteiner Asyl-Unterkunft rufen Empörung hervor. Eine Menschenrechts-Organisation fordert die Gemeinde nun zum Handeln auf.

VON HANS-MARTIN JERMANN

MÜNCHENSTEIN. Mit der Verteilung von Flugblättern protestierte die Basler Menschenrechtsorganisation «augenauf» am Samstag vor dem Einkaufszentrum Gartenstadt in Münchenstein auf die nach ihrer Ansicht menschenunwürdige Unterbringung von Asylsuchenden. Auf grossen Spruchbändern wandten sich die Aktivisten gegen die «Käfighaltung der Flüchtlinge» in den Kollektivunterkünften von Münchenstein. Von der Gemeinde fordern sie in einem offenen Brief, diese Unterkünfte zu schliessen oder zu sanieren sowie die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

PROTEST. Die Aktion «augenauf» will mit ihrer Protest-Aktion veranschaulichen, welch kleine Fläche einem Asylbewerber im Münchensteiner Asylantenheim persönlich zur Verfügung steht
FOTO KEFALAS
 

Anlässlich eines kürzlich erfolgten Augenscheins wurde die Menschenrechtsorganisation auf die Platzverhältnisse an der Bottmingerstrasse 20 aufmerksam: Im hinteren Pavillon der Unterkunft «hausen» in drei lediglich durch Stellwände voneinander abgetrennten Räumen auf 72 Quadratmetern insgesamt 39 Asylsuchende - das ergibt eine verfügbare Fläche von kaum zwei Quadratmetern pro Person. Zum Vergleich: Strafgefangene haben allerdings ohne die Möglichkeit zur freien Bewegung - immerhin acht bis zehn Quadratmeter zur Verfügung.

Bei solchen räumlichen Verhältnisse seien Konflikte unter den Bewohnern - die meisten von ihnen alleinstehende Männer unterschiedlichster Herkunft - fast schon vorprogrammiert, ist G.B. überzeugt. Ein weiteres Übel sieht er in den hygienischen Verhältnissen im Pavillon: Zwei der vier Plumpsklos funktionieren seit längerer Zeit nicht mehr. Da kein Luftabzug existiert, herrscht zudem beissender Geruch. Etwas besser ergeht es der neunköpfigen Familie aus dem Kosovo, die im vorgelagerten Wohnhaus in einer Dreizimmerwohnung lebt. Allerdings ist es in den engen Räumen für die sechs Kinder beinahe unmöglich, ihre Hausaufgaben zu erledigen, von der Gewährleistung einer gewissen Privatsphäre für die Familienangehörigen - unter ihnen zwei Mädchen in der Pubertät - kann keine Rede sein.

Roland Probst, Leiter des Wohnheims für Asylsuchende, hat zwar bereits Verbesserungen in Aussicht gestellt. So will er etwa für die Grossfamilie im Vorderhaus eine Wohnung mit sechs Zimmern suchen. Für «augenauf» wäre es damit freilich noch nicht getan. Zudem ärgert man sich bei der Menschenrechtsorganisation darüber, dass immer nur dann etwas passiert, wenn die Medien und damit eine breitere Öffentlichkeit von solchen Missständen «Wind» bekomme. Für B. liegt ein Grossteil der Misere in der Auslagerung des Asylwesens begründet, die viele Baselbieter Gemeinden zu ihrer Entlastung in den letzten Jahren durchgeführt haben. In Münchenstein übernahm Roland Probst 1995 die Aufgabe der Asylbetreuung. «Privatisierungen führen auch im Asylwesen automatisch zu Renditedenken und Gewinnmaximierung», so B.. Leistungseinbussen auf dem Buckel der Schutzsuchenden seien die Folge.

Doch will der Sprecher von «augenauf» den «Schwarzen Peter» nicht alleine dem jetzigen Leiter des Wohnheimes zuschieben. Seiner Ansicht nach hat die Gemeinde die - trotz Auslagerung - weiterhin bestehende Aufsichtspflicht vernachlässigt.

Gemeindepräsident Walter Banga war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Mit ihrer Aktion haben die Aktivisten von «augenauf» aber in jedem Fall in ein Wespennest gestochen: Roland Probst würde den Medien «noch so gerne» seine Sicht der Dinge darlegen. In gegenseitiger Absprache mit der Gemeinde bestehe aber bis auf Weiteres eine Schweigepflicht, so Probst gegenüber der bz.

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