Bulletin Nr. 22; September 1998
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Schwerpunkt Transit
Grauzone Flughafenverfahren
Das Flughafenverfahren ist ein Schnellverfahren mit schwerwiegenden
Folgen für die Betroffenen. Vom/von der AsylbewerberIn wird verlangt,
innert weniger Tage genügend Beweise für die Verfolgung im Herkunftsland
vorzubringen. Dies ist bereits im Rahmen des normalen Asylverfahrens
schwierig. Im Transit ist es faktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Generell
sind alle Beteiligten einem enormen Zeitdruck ausgesetzt. Selbst für
erfahrene AnwältInnen ist es nicht möglich, den Überblick über laufende
Entscheide und Fristen zu behalten. Kürzlich wurde einem Anwalt eine
einstündige Frist gewährt, um Stellung zu einem Entscheid der
Asylrekurskommission (ARK) zu nehmen.
«Aufstand» im Transit
Am 21. Mai haben sich im Transitbereich des Flughafens Kloten rund
zwei Dutzend Flüchtlinge mit einem Sitz- und Hungerstreik gegen das
berüchtigte Flughafenverfahren gewehrt. Mit Prügel, Knast und
Einzelabschiebung wurde ihr Widerstand von der Flughafenpolizei gebrochen.
Unterstützt wurde die Polizei von der Direktorin des Flughafengefängnis
Kloten, die Zellen ihrer Disziplinierungsabteilung neuerdings für Menschen
zur Verfügung stellt, denen man die Einreise in die Schweiz verweigert,
aber den Aufenthalt in einem Schweizer Knast nicht vorenthält.
Genf: Misshandlungen in Polizeigewahrsam
Vom 16. bis zum 20. Mai fand in Genf eine Ministerkonferenz der WTO
(World Trade Organization) statt. Diese Konferenz wurde von weltweiten
Protesten gegen den neoliberalen Umbau der Weltwirtschaft begleitet. So gab
es auch in Genf am 16. Mai eine grosse Demonstration von WTO-GegnerInnen
und für die folgenden Tage war zu Protest- und Störaktionen aufgerufen
worden. Die Nacht vom 16. auf den 17. Mai wurde sehr unruhig. Es kam zu
zahlreichen Sachbeschädigungen, die wohl eher mit der starken Repression
gegen besetzte Häuser in den vergangenen Monaten zu tun hatten als mit den
Anti-WTO-Aktivitäten und, im Gegenzug, zu massiven Tränengaseinsätzen, die
sich dann allerdings ganz gezielt gegen ein Camp der WTO-GegnerInnen
richteten. In den nächsten Tagen versuchten die in Genf anwesenden starken
Polizeikräfte mittels Massenverhaftungen jegliche Störung der Konferenz zu
verhindern. Bis zum 28. Mai wurden nach Polizeiangaben 287 Menschen verhaftet,
Augenzeugen berichteten von unzähligen weiteren Personenkontrollen und
kurzzeitigen Mitnahmen durch die Polizei. Über die Behandlung während den
Verhaftungen und in Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft liegt uns eine
ganze Reihe von Zeugenberichten vor. Wir zitieren im folgenden aus diesen
Berichten, weil uns die Leichtigkeit auffiel, mit der die angeblich
liberale Genfer Polizei Grenzen überschritt. Es wurden Methoden angewendet,
die als Vorstufe zur gezielten Misshandlung (Folter) von Gefangenen
angesehen werden können. Dazu gehören: Verweigerung der
Rechtsmittelbelehrung, Verweigerung von ÜbersetzerInnen bei Verhören,
Verweigerung der Kontaktaufnahme nach aussen, physische Misshandlung und
Demütigung (stundenlanges Stehenlassen, Verweigerung der Toilette) und
sexuelle Belästigung (Zusehen von männlichen Wärtern und Polizisten beim
Duschen von weiblichen Gefangenen).
Sonntagsspaziergang zum Flughafengefängnis
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