Bulletin Nr. 27; März 2000

Jetzt ist es offiziell: Khaled Abuzarifa wurde erstickt

Anwalt vertritt im Auftrag von augenauf die Interessen der Familie im Gerichtsverfahren

Am 5. Januar 2000 hat der Bülacher Bezirksanwalt Peter Joho in einem Communiqué bekanntgegeben, dass Khaled Abuzarifa am 3. März 1999 während der Ausschaffung im Flughafen Kloten erstickt worden ist. Aufgrund des Autopsieberichts wird die Strafuntersuchung fortgesetzt, die unmittelbar nach dem Todesfall gegen drei Berner Kantonspolizisten und einen Berner Arzt eröffnet wurde. Gegen die Angeschuldigten wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.
Vor der zu erwartenden Anklageerhebung werden Täter und Zeugen befragt. Im Auftrag von «augenauf» vertritt der Zürcher Anwalt Marco Mona die Interessen der Angehörigen von Khaled Abuzarifa. Neben dem Strafverfahren wird sich Mona auch um die sich auf das Opferhilfegesetz stützenden Schadenersatzansprüche der Familie kümmern.
Die Bestellung eines Geschädigtenvertreters war möglich, nachdem «augenauf» im Dezember über palästinensische Menschenrechtsorganisationen Kontakt mit der Familie aufnehmen konnte. Bis zu diesen Gesprächen mit «augenauf» gingen die Angehörigen davon aus, dass ihr Sohn, Bruder und Onkel an einem Herzversagen gestorben sei. Diese Annahme geht auf Verlautbarungen der Schweizer Behörden zurück. Der Arzt, der den Tod von Khaled Abuzarifa festgestellt hat, vermutete ein Herzversagen. Bereits drei Tage nach dem Tod hatten die Gerichtsmediziner an der Universität Zürich jedoch festgestellt, dass kein Herzversagen, sondern mangelnde Sauerstoffzufuhr die Todesursache war. Darüber wurden die palästinensischen Behörden und die Familie nicht informiert.
 
Kein Beileid von Seiten der Behörden
Bis heute haben es die für den Tod von Khaled Abuzarifa verantwortlichen Behörden in der Schweiz auch nicht für nötig befunden, der Familie ihr Beileid auszusprechen, obwohl eine Kontaktaufnahme jederzeit möglich gewesen wäre. Der für die arabischen Ländern zuständige Sachbearbeiter im Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) kannte die Wohnadresse der Familie Abuzarifa. Er hat diese Adresse am 4. März 1999 - einen Tag nach dem Tod von Khaled Abuzarifa - dem Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde in Genf zusammen mit der Nachricht vom Tod des Ausschaffungshäftlings mitgeteilt.
Es gibt immer mehr Hinweise, dass die Berner Kantonspolizei und das BFF alles getan haben, um die Familie aus der laufenden Strafuntersuchung herauszuhalten. Während es für das Zürcher Bestattungsunternehmen Gerber ein Leichtes war, den Leichnam von Khaled Abuzarifa nach Palästina zu überführen, haben es die Berner Behörden bis heute nicht geschafft, den Angehörigen den Nachlass von Khaled Abuzarifa zukommen zu lassen. Vermutlich fürchtete man, dass es bei der Übergabe der Effekten zu einem Kontakt zwischen der Familie und den für den Tod von Khaled verantwortlichen Behörden gekommen wäre. Entsprechend linkisch stellten sich die Berner Behörden an, als die Geschichte mit dem in Bern zurückgehaltenen Nachlass ruchbar wurde. Nach einer Intervention von Marco Mona erklärte die Berner Kantonspolizei anfangs, dass der Nachlass nur aus Kleidern bestehe. Diese Kleider seien an bedürftige Gefangene verteilt worden. Aufgrund einer Anfrage der Berner Grossrätin Regula Rytz musste die Berner Regierungsrätin Dora Andres (FdP) dann aber am 8. Februar zugeben, dass im Amtshaus in Bern immer noch ein Portemonnaie, ein Transistorradio und zwei Reisetaschen von Khaled Abuzarifa eingelagert werden. «augenauf» wird jetzt dafür sorgen, dass dieser Nachlass den Angehörigen übergeben wird.
 
Weiterhin atembehindernde Techniken bei Ausschaffungen
Die Publikation des Autopsieergebnisses hat weder die Ausschaffungsbehörden in Zürich noch jene in Bern dazu veranlasst, ihre Praxis einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Während in Bern der Einsatz von Klebebändern bei Ausschaffungen seit dem Tod von Khaled verboten ist, wendet Zürich weiterhin einen Sparringhelm an. Statt mit Klebebändern wird bei dieser Methode das Schreien durch Bänder mit Klettverschlüssen verunmöglicht. Die Mundatmung ist beim Einsatz dieses Helms wie auch beim den Klebebändern unterbunden. Die Situation, in die Ausschaffungsgefangene heute kommen, unterscheidet sich damit nicht grundsätzlich von derjenigen, die zum Tod von Khaled Abuzarifa geführt hat. Wie schlecht das Unrechtsbewusstsein bei den Ausschaffungsbehörden entwickelt ist, zeigt eine Aussage der Berner Regierungsrätin Dora Andres. In einem Interview mit der Berner Zeitung erklärte sie, dass intern keine Massnahmen gegen die beteiligten Beamten ergriffen worden seien, weil diese bei der Ausschaffung von Khaled Abuzarifa nur «ihre Pflicht» erfüllt hätten. Anders als ursprünglich auc von augenauf vermutet, muss heute die Haltung der Zürcher Untersuchungsbehörden beurteilt werden. Sowohl die Gerichtsmediziner an der Universtität Zürich, als auch der Bülacher Bezirksanwalt sind offensichlich mit der nötigen Seriosität an den Fall herangegangen.
 
 
Khaled Abuzarifa
Gerechtigkeit ist teuer

Bis zum Abschluss aller Verfahren im Zusammenhang mit dem Tod von Khaled Abuzarifa steht augenauf noch ein langer Weg bevor. Es muss damit gerechnet werden, dass uns dieser Fall noch mindestens bis ins nächste Jahr beschäftigt.
Unsere Aktivitäten kosten Arbeit und viel Geld. Geld für unzählige Telefonate, Faxe, Reisen, Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, Anwaltsspesen und in ganz seltenen Fällen auch Arbeitsausfall (den allergrössten Teil unserer Arbeit - bisher schon etliche 100 Stunden - leisten wir in der Freizeit). Bitte helft uns dabei, den Tod von Khaled Abuzarifa aufzuklären und für Gerechtigkeit zu kämpfen - nicht erst 50 Jahre danach.
Spenden für die Fortsetzung unserer Arbeit sind dringend notwendig.


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