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  Wenn die Polizei schwarz sieht ...
Augenzeugenberichte von Kontrollen des Kokainhandels Verdächtigter im Kleinbasel
Aug. 2003 ... Jan. 2004
 


Wer jung, männlich und von dunkler Hautfarbe ist und es zudem noch wagt, im Kleinbasel zwischen Claraplatz und Feldbergstrasse herumzuschlendern, der ist in den Augen der Polizei schon einmal generell verdächtig, "Kügeli-dealender Asylbewerber" zu sein. Identitätskontrollen sind vorprogrammiert. Oft verlaufen diese einigermassen gesittet, wenn auch generell eine Spur härter als (die selten zu beobachtenden) Kontrollen hellhäutiger Jugendlicher. So ist es nahezu Standard, dass sich Schwarze mit ausgebreiteten Armen gegen eine Wand lehnen und abtasten lassen müssen.

Oft aber auch lassen sich Kontrollen beobachten, bei welchen der Eindruck haften bleibt, dass die beteiligten PolizistInnen zuviel schlechte Action-Krimis gesehen haben oder - noch schlimmer - dass dabei ein ganz persönlicher Rassismus ausgelebt wird.

 
 

einige Beispiele (Herbst/Winter 2003):


11.08.2003, ca. 23:30 Uhr, Klybeckstrasse

Drei Beamte eines Streifenwagens kontrollieren einen jungen Schwarzen. Dieser zieht einen Ausweis aus der Brieftasche, an welchem noch ein zusammengefaltetes Blatt Papier haftet. Reflexartig will der Kontrollierte dem Polizisten das Papier wieder aus der Hand zupfen, doch dieser lässt das nicht zu und durchsucht im Gegenzug die Brieftasche des Mannes, entnimmt ihr einen weiteres zusammengefaltetes Blatt. Nach einem kurzen Blick auf die beiden Zettel lässt er sie zu Boden fallen und widmet sich dem Ausweis. Als sich der Kontrollierte sich bücken will, um die beiden Papiere aufzuheben, stellt der Beamte seinen Fuss darauf. Sodann drängen sie den inzwischen mit ausgebreiteten Armen das Abtasten erwartende Mann gegen eine Schaufensterfront. Die Papiere bleiben auf dem Trottoir liegen, wo sie von Dutzenden von Passantensohlen beschmutzt und mitgeschleppt werden.

Nach etwa 10 Minuten ist die Kontrolle vorbei, der Schwarze wird weggeschickt, die Papiere bleiben am Boden liegen und die Beamten fahren weg ...

 

12.10.2003, 23:50 Uhr, Klybeckstr., Abzweigung Sperrstrasse

Eine Polizistin und ein Polizist in Zivil spurten auf einen jungen Schwarzen los, welcher auf dem Trottoir in der Klybeckstrasse steht. Der Mann rennt auf die Strasse, die "Zivis" hinterher, der Polizist ruft "Halt! Polizei!". Mitten auf der Kreuzung wird der Schwarze gefasst und mit auf den Rücken gedrehten Armen neben den Eingang des "Klybeck-Kasinos" gedrängt.

Dort werden ihm Handschellen angelegt. Der Polizist durchsucht erst die Taschen, dann wird der Mann abgetastet (speziell sorgfältig die Beine). Die Kollegin steht sichernd daneben. Der Schwarze hat sich im Verlauf der Kontrolle weder gewehrt, noch reklamiert. Er stand einfach da und liess die Prozedur über sich ergehen.

Bislang ist die Kontrolle ohne nennenswerte Gewaltanwendung verlaufen. Das ändert sich jedoch schlagartig, als ein dritter Zivilbeamter aus der Sperrstrasse hinzu kommt. Er packt den Schwarzen ohne ersichtlichen Anlass im Genick und schüttelt ihn heftig. Dann nimmt er einen Schritt Abstand und tritt den vom ersten Polizisten am Arm gehaltenen Schwarzen wuchtig in die Kniekehle. Der Mann knickt ein und sofort wird er wieder am Genick gepackt. Der Kopf wird gegen die Wand gepresst.

Der aufgebracht scheinende Zivilbeamte holt mit der andern Hand zu einem Schlag aus. Ein Anwohner aus der Klybeckstrasse ruft laut aus dem Fenster, was das solle. Der Polizist lässt sein Opfer jedoch nicht los, sondern schleppt es mit Klammergriff im Genick um die Hausecke, ausser Sichtweite des Zeugen. Einige Sekunden später ruft das Opfer mehrmals laut um Hilfe, dann erstirbt die Stimme in Röcheln, so, als würde ihm die Kehle zugedrückt. Noch zweimaliges lautes Röcheln. Danach Ruhe.

Die Polizistin sucht noch mittels Taschenlampe Bauminsel und Trottoir ab, dort wo sich das Opfer vor der Festnahme aufgehalten hat. Etwa drei Minuten später fährt ein blauer Kleinbus der Polizei mit Blaulicht vor. Die drei "Zivis" sowie zwei Unifornmierte schleppen den sich in keiner Weise wehrenden, aber etwas benommen wirkenden Mann zum Wagen und stossen ihn unsanft hinein. Der gereizte Beamte setzt sich direkt neben den Festgenommenen, alle andern steigen ebenfalls ein und mit Blaulicht fährt der Transport Richtung Claraposten ab.

 

22.10.2003, ca. 23 Uhr, Klybeckstr./Florastr.

Drei junge Zivilbeamte halten einen Schwarzen an. Bei einer Kontrolle der Taschen und einem Blick in den Mund finden sie nichts. Als die Kontrolle kein Ende zu nehmen scheint, wird der Mann ungehalten und reklamiert auf Französisch. Das Wort "Racisme" fällt. Die Beamten werden sauer und drücken ihn zu Boden. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen liegt er nun bei einer Temperatur um den Gefrierpunkt bäuchlings auf dem Trottoir. Ein Beamter kniet auf den Schenkeln des Festgehaltenen, ein zweiter drückt die Schultern nach unten und der Dritte leuchtet mit der Taschenlampe den Boden ab. Bis der Gefangenentransporter kommt (ca. 10 Min.) muss der Mann in dieser ungemütlichen Stellung verharren.

 

18.11.2003, 21:30 Uhr, Klybeckstrasse/Kaserne

Ein junger Schwarzer spricht eine Passantin an und fragt nach einer Zigarette. Sie hat keine und die beiden gehen ihre Wege weiter. Da spurten drei jüngere Zivilpolizisten heran, packen den Schwarzen und drehen ihm die Arme so sehr auf den Rücken, dass er sich weit vornüber beugen muss. Einer nimmt ihn in den "Schwitzkasten" und schreit mehrfach "spuck's aus .. los .. spuck's schon aus". Schliesslich sieht der Beamte ein, dass es nichts auszuspucken gibt und er entlässt sein Opfer aus dem Würgegriff. Die Kollegen legen dem Mann unsanft die Handschellen an und er wird zur genaueren Untersuchung der Kleider Richtung Kasernenmatte geschubst.

Inzwischen haben zwei weitere "Zivile" die Passantin angehalten und versuchen sie zur Aussage zu ermuntern, dass der Schwarze ihr Kokain habe verkaufen wollen. Der Auskunft, dass sie nur um eine Zigarette angeschnorrt worden sei, begegnen die vom Jagdfieber gepackten Polizisten mit sichtlichem Misstrauen, lassen die Zeugin aber unbehelligt weitergehen.

Nicht so den Festgenommenen,- er wird in einen vorfahrenden Kastenwagen bugsiert und weggefahren - ohne Beweise oder belastende Aussage.

 

3.12.2003, ca. 02 Uhr, Klybeckstrasse/Kaserne

Ein junger Schwarzer mit aufgeplatzter Lippe und geschwollener Backe sitzt weinend auf einer Bank. Auf die Frage einer Passantin, was geschehen sei, gibt er an, zwei Polizisten hätten ihn zur Kontrolle auf den Rössli-Vorplatz geführt und einer habe ihm, nachdem sie nichts gefunden hatten, einen Schlag ins Gesicht verpasst. Auf die Frage, ob es wirklich Polizisten oder irgendwelche Räuber gewesen seien, antwortet der Mann, sie seien uniformiert gewesen.
Den Vorschlag der Frau, auf dem Posten anzurufen und sich nach dem Vorfall zu erkundigen, lehnt das Opfer panikerfüllt ab - er habe Angst, dass es ihm dann noch viel schlechter gehen könnte.

 

15.01.2004, 20:05, Klybeckstr./Klingentalgraben

4 jüngere Zivilbeamte nehmen einen Schwarzen in die Zange. Der Mann wehrt sich nicht und macht auch keine Anstalten, zu fliehen. Die Beamten sind in relativ aggressiver Stimmung, einer reisst dem Mann gleich die Arme nach hinten, zwei weitere packen ihn an der Jacke und ziehen ihn um die Hausecke, begeitet von der Aufforderung, "die Kügeli" auszuspucken.

Zwei weitere Zivilbeamte kommen hinzu und sichern die Kollegen ab, welche den Mann erst abtasten und dann in die Knie zwingen. Seine Hände werden mit Handschellen auf dem Rücken zusammengekettet und muss sich mit gespreizten Schenkeln und gegen die Wand gepresstem Gesicht auf den kalten Asphalt knien,- ein Beamter stellt den Fuss zwischen die Beine und presst das Knie gegen den Rücken des Kontrollierten. Die andern zerren an seinen Kleidern und fordern ihn immer wieder auf, die "Kügeli" auszuspucken.

Nach einigen Minuten fahren ein Polizeitransporter und eine Streife vor. Der Festgenommene wird von 2 Beamten unsanft hochgezerrt, als er der Aufforderung aufzustehen, nicht augenblicklich nachkommt und von dreien in den Kastenwagen eskortiert.


 

Diese Beispiele sind nur die Spitze eines Eisberges. Speziell, wenn die Polizei ihre "Schwerpunktwochen" gegen "dealende schwarze Asylanten" durchführt, können solche Szenen zuhauf beobachtet werden. Gemeinsam ist bei vielen Schilderungen, dass

  • die Angehaltenen generell "geduzt" werden
  • oft gar nicht erst Ausweispapiere verlangt werden, sondern sogleich unverhältnismässige Gewalt eingesetzt wird
  • dass der Gewaltanwendung kein renitentes Verhalten - weder verbal noch physisch - seitens der Kontrollierten vorangegangen ist. Im Gegenteil: schweigend, oft in demütiger Körperhaltung lassen sie alles über sich ergehen.
  • den Angehaltenen oft sehr schnell Handschellen angelegt werden.
  • die Festgenommenen bis zum Eintreffen des Polizeiautos in äusserst unbequemer und erniedrigender Haltung verbringen müssen,- obwohl sichtbar keine Gefahr von ihnen ausgeht.

Ebenfalls verbreitet ist die Beobachtung, dass die Festgehaltenen am Hals gepackt, geschüttelt und/oder gewürgt werden.




 
Das Zitat
«Ausländerfeindlichkeit beginnt dort, wo fremde Nationalitäten pauschal verunglimpft werden, wo man einer Volksgruppe ganz generell bestimmte negative Eigenschaften oder ein unerwünschtes Verhalten unterstellt»

  (RR. Jörg Schild, Vorsteher des PMD in der "Migrations-Zeitung")


Nun reklamiert wohl kaum jemand, wenn die Polizei gegen den Kokain-Strassenhandel vorgeht. Die Art, wie dies geschieht, kann jedoch nicht gutgeheissen werden. Erstens wird in der Praxis gleich einmal einer ganzen ethnischen Gruppe pauschal kriminelles Handeln unterstellt und zweitens zeigt das oft unverhältnismässig harte Vorgehen gegen sich in keinster Weise renitent gebärdende junge Afrikaner, dass die zumindest verbal immer wieder beteuerte antirassistische Haltung der Polizeiführung noch lange nicht bis zur Basis vorgedrungen ist.

 
Statistisches

Unter dem unmissverständlichen Titel "Basel hat keinen Platz für dealende Asylbewerber" publiziert die Kantonspolizei am 28.01.04 eine Statistik, wonach 2003 "auf der Gasse" insgesamt 970 Kontrollen an insgesamt 479 Asylbewerbern (davon 435 Ausserkantonale) vorgenommen wurden, was in 131 Fällen zu Festnahmen und in 325 Fällen zu Ausgrenzungen (= Rayonverbote) geführt habe.
Kein Wort verliert die Statistik darüber, in wievielen Fällen tatsächlich Drogenhandel nachgewiesen werden konnte. Als Kriterium für den "begründeten Verdacht" sei Folgendes aus der PMD-Mitteilung zitiert "[Ein Kügelidealer ist typischerweise ein] ... junger Schwarzafrikaner, der ziellos im Quartier herumläuft und auffällig die Nähe von Drogenabhängigen sucht".
Nun kann diese Begründung in einem Quartier, in welchem sich viele Drogen Konsumierende aufhalten und zudem auch viele dunkelhäutige Imigranten wohnen, als nicht besonders spezifisch betrachtet werden. Die PMD-Mitteilung schweigt sich dann auch vornehm darüber aus, wie viele dunkelhäutige "Nicht-Asylbewerber" Opfer unverhältnismässiger Kontrollen geworden sind.