BaslerZeitungErschienen am: 28.02.2002


Käfighaltung für Asylsuchende stösst auf Kritik

48 Asylsuchende sind in Münchenstein in engsten Räumen zusammengepfercht. Auf Nachfrage hin stellen die Gemeindebehörden und der Leiter der Asylunterkunft Verbesserungen in Aussicht. Für eine Grossfamilie sucht die Gemeinde dringend eine Wohnung mit sechs Zimmern.

In der Asylunterkunft in München-stein müssen die Menschen auf engstem Raum leben. (Foto Flury)

Münchenstein. «Wie viele Zimmer braucht ihr?», fragte Roland Probst, Leiter des Wohnheims für Asylsuchende von Münchenstein, den achtjährigen Enver (Namen geändert). «Sechs Zimmer», erwiderte der aufgeweckte Junge. «Leider haben wir nur drei Zimmer. Dabei sind wir neun Personen, nämlich die Eltern, unsere Grossmutter sowie wir sechs Geschwister.» «Mein ältester Bruder ist 16 Jahre alt», erzählte er weiter. «Dann kommen meine Schwestern im Alter von 15, 13 und 10 Jahren, mein 9-jähriger Bruder und ich.»

Kein Platz für Hausaufgaben

Während dieser Worte lächelten die beiden Eltern, Roma aus Kosova, und luden die Gäste zum Kaffee ein. Er gehe ebenso wie seine Geschwister gerne in Münchenstein zur Schule, berichtete Enver weiter. Aber es sei fast unmöglich, hier die Hausaufgaben zu machen. In diesen engen Räumen, fast völlig verstellt mit Kajütenbetten, lebt die Familie seit zwei Jahren.
Dieses ältere Wohnhaus an der Bottmingerstrasse 20 in Münchenstein enthält je zwei enge Zweizimmerwohnungen und eine Einzimmer-Dachwohnung. In der Zweizimmerwohnung des Parterres haben die Asylbetreuer mit insgesamt 230 Stellenprozenten ihre Büros eingerichtet. Er habe dieses Haus gekauft, bestätigte der langjährige Asylbetreuer Roland Probst die Informationen der Gruppe «augenauf». Im Jahre 1995 lagerte ihm die Gemeinde die Aufgabe der Asylbetreuung aus. Mit solchen Privatisierungen, praktiziert in einem grossen Teil der Baselbieter Gemeinden, strebten die Gemeindebehörden eine Entlastung an, erklärte auf Anfrage der BaZ Gemeindeverwalterin Beatrice Grieder. Die Verantwortung für die Auswahl und Bereitstellung der Unterkünfte bleibe bei der Gemeinde, betonte hierzu Rudolf Schaffner, Vorsteher des kantonalen Fürsorgeamtes.

Im Massenlager

Noch enger ist es in den drei Räumen des hinteren Pavillons von je rund 24 Quadratmetern, voneinander durch Trennwände abgetrennt. Dort wohnen zurzeit insgesamt 39 Männer, bestätigte Roland Probst die Angaben von «augenauf». Im Untergeschoss ist ein kleiner Aufenthaltsraum mit Fernsehen. Wer hierzu die Möglichkeit habe, schlafe bei Verwandten oder Freunden auswärts, berichtete Roland Probst. Die Bewohner sehnten sich nach Arbeit. Denn dies ermögliche selbstständiges Wohnen. Zurzeit seien 45 Personen in individuellen Wohnungen, berichtete hierzu Beatrice Grieder.
Die Tagesstruktur in der Unterkunft bestehe vor allem in Kochen und Hauswirtschaft, sagte weiter Roland Probst. Dabei bestünden dringende Bedürfnisse, die zukünftigen Lebenschancen der zumeist jungen Bewohner zu verbessern. Dies gilt besonders im Hinblick auf die Berufswahl für den 16 Jahre alten Sohn der Familie im Vorderhaus. Zurzeit sei er zusammen mit der Grossmutter verreist, stellte Roland Probst fest. Leider sei der Arbeitsmarkt für Asylsuchende, vor allem wegen der harten arbeitsmarktlichen Prioritätenordnung, sehr eng. Ausser Stellen in Gastgewerbe und Reinigung gebe es nichts.

Gemeinde auf Wohnungssuche

«Schreiben Sie, dass wir für die Grossfamilie im Vorderhaus dringend eine Wohnung von sechs Zimmern suchen», sagte Roland Probst zur BaZ. Leider herrsche für Grossfamilien immer noch Wohnungsnot. Geplant sei im Weiteren, die Büroräume der Asylbetreuer zu verlegen. Dann werde es möglich, einige Bewohner der hinteren Kollektivunterkunft im Vorderhaus unterzubringen. Auch dann noch bleibt allerdings die Unterkunft in den drei Pavillonräumen ausserordentlich eng. Beatrice Grieder bestätigte, dass eine Verbesserung der Wohnverhältnisse dringend angestrebt werde. Wie sowohl G.B. von der Gruppe «augenauf» als auch auf Anfrage der BaZ Johan Götl von der Anlaufstelle Baselland folgern, darf die Privatisierung der Asylbetreuung nicht zu einer Aushöhlung der kommunalen Aufsichtspflichten führen. Wichtig sei zudem, betonen sie, dass die wesentlichen Betreuungsvorgaben bereits im kantonalen Recht geregelt werden. Demgegenüber enthält die Asylverordnung vom 20. Februar 2001 lediglich vage Direktiven.

Jürg Meyer

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