Bulletin Nr. 45; Juni 2005
Die Folgen von Blochers Asylpolitik: ein Fallbeispiel
Abgelehnte Asylanträge – Folter – Tod
Sieben Jahre lebt ein kranker syrischer Kurde in der Schweiz.
Obwohl amnesty international die Behörden über das Risiko
willkürlicher Haft und Folter im Falle einer Rückkehr informiert,
muss er zurück. Sein Lebensweg ist bald zu Ende.
Mitte März kontaktiert H. augenauf Bern. Er teilt mit, dass sein
Freund Ahmad, obwohl dieser an einer latenten Schizophrenie
leidet, am 23. Februar 2005 nach Syrien ausgeschafft worden
sei. Bei seiner Ankunft in Damaskus wird Ahmad festgenommen
und in einem «für Folter berüchtigtes» Gefängnis
inhaftiert. Am 16. April 2005 erfährt H., dass sich sein Freund
in seinem Heimatdorf erhängt hat.
Die Odyssee von Ahmad
Shiar Ahmad wird 1976 im Nordosten Syriens geboren. Dort
lebt die kurdische Minderheit Syriens. Nach Aussagen von
kurdischen Politikern sind eine Viertelmillion der syrischen
Kurden staatenlos. Sie dürfen weder Besitz erwerben noch die
Schule besuchen. Laut amnesty international (ai) werden sie
seit Jahrzehnten diskriminiert. Hunderte Menschen werden in
Gefängnissen gefoltert und verschwinden einfach so von der
Bildfläche.
Ahmad flüchtet 1998 in die Schweiz, wo er ein Asylgesuch
stellt. Er arbeitet etwa drei Jahre als Hilfsarbeiter in der Bad
Ragazer Hotellerie. H. – ebenfalls syrischer Kurde – und
Ahmad lernen sich in einem kurdischen Verein kennen und
werden Freunde.
Nachdem seine Asylgesuche zweimal abgelehnt werden,
verliert Ahmad die Arbeitsstelle. Seine Verfassung verschlechtert
sich zusehends. Schliesslich wird er in eine psychiatrische
Klinik eingewiesen. Gemäss «St. Galler Tagblatt»
weilt er viermal in der psychiatrischen Klinik in Pfäfers (letzte
Einweisung am 9. November 2004).
Ahmad wird in der Schweiz von Ursula Germann psychologisch
betreut. Gemeinsam mit ihrem Mann, Jürg Germann, kümmert
sie sich um den abgewiesenen Asylbewerber. Ursula Germann
hält in einem Gutachten unter anderem fest, dass Ahmad als
staatenloser Kurde schwer traumatisiert und suizidgefährdet
sei. Er habe schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen.
Ohne Arbeit gebe es keine Zukunftsperspektive, ohne Medikamente
werde die Selbstmordgefahr hoch bleiben.
Nach der letzten Einweisung scheint es aufwärts zu gehen.
Ende November 2004 regelt Ahmad schliesslich auch seine
Ausreise, für die er sich mittlerweile entschieden hat. Das
syrische Generalkonsulat teilt ihm mit, dass er eventuell
polizeiliche Befragungen wegen verweigerten Militärdienstes
zu erwarten habe. Ob hier der Grund für seine wochenlange
Inhaftierung liegt, ist ungewiss.
«gefoltert und misshandelt» ...
Wie der «Tages-Anzeiger» feststellt, ist es in den letzten Jahren
wiederholt vorgekommen, dass abgewiesene Asylbewerber
nach ihrer Heimkehr inhaftiert wurden und deshalb in
der Schweiz nachträglich doch noch Asyl erhielten. Trotzdem
erweckt Christoph Blocher im März dieses Jahres vor dem
Ständerat den Eindruck, dass abgewiesene Asylbewerber in
ihrer Heimat nichts zu befürchten hätten. Er spricht von nur
einem Ausnahmefall: «Von 100 000 nach Hause geschickten,
abgewiesenen Flüchtlingen haben wir einen einzigen Fall
von einem Flüchtling, der nach kurzer Zeit im betreffenden
Land eingesperrt wurde und nun im Gefängnis ist.» Damit
spielt Blocher auf Stanley Van Tha an, der nach seiner Ausschaffung
in die burmesische Militärdiktatur inhaftiert und mit
19 Jahren Gefängnis bestraft worden ist. Blocher verschweigt
den Fall von Ahmad, obwohl er davon weiss («Tages-Anzeiger»
vom 11. Mai 2005).
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