Bulletin Nr. 24; Mai 1999
Angola und die Schweiz:
Flüchtlinge werden zurückgeschafft – Diamanten bleiben
Obwohl der Bürgerkrieg in Angola wieder voll entflammt ist, werden
weiterhin abgewiesene Asylbewerber nach Angola ausgeschafft. Auf der
anderen Seite profitieren multinationale Unternehmen in der Schweiz direkt
von diesem Krieg. Die ganze Verlogenheit schweizerischer Flüchtlings- und
Aussenpolitik wird am Beispiel Angolas offensichtlich. Um die Opfer des
Krieges, bei dem hier kräftig mitverdient wird, will man sich nicht kümmern.
«Madam, ich habe Dir nicht viel zu schreiben, ich will einfach, dass du
weisst, dass die Polizei gekommen ist und bei mir zu Hause nach mir gesucht
hat. Und dann haben sie mich gezwungen meine Sachen zu packen. Im Moment
bin ich jetzt in der Kaserne Zürich inhaftiert.
Madam, wie soll ich nach Angola zurück, wo doch dort immer noch Krieg
herrscht? Die Leute sterben dort immer noch.
Ich habe mit einem Polizisten gesprochen, er hat mir gesagt, ich solle dir
schreiben. Madam, ich brauche dich, ich warte darauf dass Du kommst,
vielleicht habe ich ja noch eine Chance.
Die Leute sterben in Angola wie die Tiere. Werde ich, wenn ich zurückkehren
muss, am Leben bleiben? Ich gebe dir hier eine Telefonnummer aus
Frankreich, (...), ruf dort bitte an und sage man soll nach Angola
telefonieren und schauen, dass jemand bei meiner Ankunft auf dem Flughafen
in Luanda anwesend ist und aufpasst.
«Madam, jemand soll bitte kommen. Angola, das geht nicht. Bitte vergiss
nicht nach Frankreich anzurufen...»
Diesen Brief erhielt das augenauf-Mitglied A. am 28. November 1998.
Geschrieben wurde der Brief am 25. November vom Angolaner Simon C. im
Polizeigefängnis Kaserne. Einen Tag später wurde er nach Angola
ausgeschafft und erst am darauffolgenden Tag, am 27. November, hielt man es
für nötig, seinen Brief von der Kaserne aus abzuschicken.
Alle Bemühungen von Simon, augenauf vor seiner Ausschaffung zu
benachrichtigen, sind also missglückt. Immerhin gelang es ihm, beim Abholen
seiner Sachen von seinem früheren Wohnort einigen Leuten mitzuteilen, dass
ihm die Polizei verwehrt habe, selbst nach Frankreich zu telefonieren. Er
konnte auch mitteilen, dass ihm die Polizei ein Telefongespräch mit A.
verboten hat. augenauf hat seit seinem Brief am 28. November nichts mehr
von Simon C. gehört.
Ausschaffungen trotz Krieg
Gemäss der Sprecherin des Bundesamtes für Flüchtlinge BFF, Vera Britsch,
werden nach wie vor «junge, gesunde, kinderlose» Männer nach Angola
ausgeschafft. Allerdings seien das nur sehr wenige, wie sie anfügt.
augenauf kennt die Namen von sechs Personen, die allein in den letzten drei
Monaten ausgeschafft wurden, in einer Zeit, in der alle Beobachter davon
sprachen, dass der Friedensprozess zusammengebrochen sei und wieder ein
offener Krieg in Angola herrsche.
Es ist klar, dass«junge, gesunde» Männer damit rechnen müssen, unmittelbar
nach Ankunft in Angola für den Kriegsdienst eingezogen zu werden. Amnesty
International (AI) spricht in seinem Jahresbericht 1998 über Angola auch
von andauernden Menschenrechtsverletzungen von beiden Seiten gegenüber
Zivilisten. Gerade auch in der angolansischen Exklave Gabinda, von wo viele
der angolanischen Flüchtlinge in der Schweiz stammen, werden gemäss einer
AI-Pressemeldung (29/4/98) Zivilisten durch Regierungstruppen «geschlagen,
gefoltert und getötet». Das BFF scheint sich der Problematik durchaus
bewusst, schickt die Personen also im vollen Bewusstsein in ein
Kriegsgebiet: Dies dokumentiert etwa ein BFF-Entscheid gegen ein
Widererwägungsgesuch des abgewiesenen angolanischen Asylbewerbers D.G, in
dem die Sicherheitslage in Angola erörtert wird: «Die Tatsache, dass der
Friedensprozess in wichtigen Fragen an Grenzen stösst, ist in vorliegendem
Fall nicht bestimmend.
Die Zumutbarkeit des Vollzugs ist gegeben, wenn nicht eine konkrete Gefahr
für Herrn D. persönlich besteht, anders ausgedrückt, wenn die minimalen
Sicherheitsbedingungen garantiert sind».
Der Krieg wird durch Rohstoffe finanziert – die Käufer sitzen hier
Seit 1992, dem ersten Wiederaufflammen des Krieges zwischen den
Regierungstruppen Angolas und der Rebellenorganisation Unita, sind nach
verschiedenen Schätzungen rund eine halbe Million Menschen gewaltsam ums
Leben gekommen.
Dabei gelingt es beiden Kriegsparteien immer wieder, sich mit neuen Waffen
einzudecken. Den Gegenwert dazu bilden im starken Mass Diamanten, welche an
den unterschiedlichsten Orten in Angola abgebaut werden. Die Unita
kontrolliert gemäss Informationen der Nichtregierungsorganisation Global
Wittness rund 60 bis 70 Prozent der angolanischen Diamantenproduktion.
Obwohl die UNO ein internationales Embargo im Handel mit der Unita
beschlossen hat, gelingt es der Rebellenorganisation nach wie vor bestens,
die in ihrem Einflussgebiet gewonnenen Edelsteine abzusetzen. Global
Wittness schätzt, dass die Unita so in den letzten sieben Jahren rund 3,7
Milliarden Dollar einnahm.
Auch die Regierung Angolas finanziert ihre Kriegsaktiviäten zum grossen
Teil mit den natürlichen Ressourcen des Landes; neben Diamanten vor allem
mit Erdöl.
De Beers operiert aus Luzern
Im Geschäft mit Diamanten ist das südafrikanische Unternehmen De Beers
weltweit führend. Seit 1990 wickelt De Beers sein ganzes Auslandgeschäft
von Luzern aus ab, wo die De Beers Centenary AG mit einem Aktienkapital von
rund 865 Millionen Franken domiziliert ist. Von hier aus werden Dutzende
von Firmen über den ganzen Erdball kontrolliert. De Beers kontrolliert so
rund 80 Prozent des weltweiten Diamantenhandels, ein heute einzigartiges
Rohstoffkartell. Durch seine monopolartige Stellung gelingt es De Beers,
den Preis für Rohdiamanten durch alle Konjunkturzyklen stabil, sprich hoch,
zu halten. Das De Beers Kartell ist derart erdrückend, dass es der Firma
wegen dem Antitrustgesetz verboten ist, in den USA ein Büro zu eröffnen. Um
diese Monopolstellung nicht zu verlieren, geschäfte De Beers auch mit der
Unita, sagt Global Witness. Die NGO hat dazu eine umfangreiche
Dokumentation zusammengestellt (www.oneworld/globalwitness).
Darin wird De Beers beschuldigt, über ein unüberblickbares Geflecht von
Zwischenhändlern in Besitz von Unita-Diamanten zu gelangen. Die Unita
umgehe die UNO-Sanktionen durch Schmuggel der Diamanten nach der Republik
Kongo. De Beers ist in Kongo mit vier Einkaufsbüros präsent (Cash
30/05/97). Allerdings bestreitet der Multi Geschäfte mit der Unita zu
tätigen. Dass De Beers aber mit der angolanischen Regierung im grossen Stil
Diamantengeschäfte tätigt, ist unbestritten (NZZ 25/01/99).
De Beers hat erst 1990 den Hauptsitz seiner Auslandgeschäfte in die Schweiz
verlegt. In Fachkreisen bestand kein Zweifel, dass mit diesem Schachzug die
drohende Verstaatlichung und ein Kartellverbot Südafrikas umgangen werden
sollte (Cash 03/05/95). Mit der Geschäftsverlegung wurde der
südafrikanische Fiskus um rund 80 Prozent der Gewinne, 1992 rund 491
Millionen Dollar, geprellt. De Beers hat also nicht zuletzt wegen der
politischen Umwälzung in Südafrika, wegen dem Ende der Apartheid, sein
Auslandgeschäft in die sichere Schweiz verlegt, von wo aus man auch
weiterhin den Diamatenhandel monopolisiert und mitunter auch kräftig am
Krieg in Angola verdient.
Glencore operiert aus Zug mit Hilfe Schweizer Banken
Ein hausgemachter Schweizer Multi mit Sitz in Zug ist ebenfalls im Geschäft
mit Angola. Gemäss einem Artikel der Pressestelle InfoSüd in der
Westschweizer Zeitung 24-heures (21/7/98) hat der Zuger Rohwarenmulti
Glencore der angolanischen Regierung mit Hilfe der Schweizer Grossbank UBS
eine Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt, um dereinst am Ölsegen des
afrikanischen Staates teilhaben zu können. Dieser Deal sei an einem
Wirtschaftstreffen in Crans-Montana zustandegekommen. UBS wie Glencore
schwiegen sich bislang zu dieser Meldung aus. Glencore ist eine Gründung
des Schweizer Multimilliardärs Marc Rich, der sich aber inzwischen aus der
Firma verabschiedet hat. Glencore operiert im Handel mit Rohstoffen wie
Oel, Mineralien und Metallen.
Das Geld brauche die angolanische Regierung gemäss InfoSüd zur Finanzierung
des Krieges. Das dem so ist, lässt sich auch einem Interview der BBC mit
dem angolanischen Verteidigungsminister entnehmen (4/11/98): «Die Einnahmen
unseres Landes sollen die Probleme des Landes lösen. Es wäre ideal, sie im
sozialen Sektor zu verwenden. Aber was nützen soziale Projekte, wenn die
Unita Stromversorgung und Brücken sprengt».
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