Bulletin Nr. 25; Juli 1999

Tod von Khaled Abuzarifa bei der Ausschaffung – Mehrere Privatpersonen reichen Strafanzeige ein gegen die Vorsteherin des kantonalen Departementes für Soziales und Sicherheit Rita Fuhrer, die beteiligten Polizisten und deren Vorgesetzten

Am Mittwoch, dem 4.3.99 stirbt der 27jährige Palästinenser Khaled Abuzarifa im Lift, auf dem Weg zum Flugzeug, in Begleitung von drei Polizisten. Kurz zuvor war er von einem Arzt noch als reisetauglich bezeichnet worden. Sämtlichen Medien ist dieser Vorfall nur eine kurze Meldung wert. Keine Fragen werden gestellt, die offizielle Version wird kommentarlos geschluckt. «Rätselhafter Tod bei Ausschaffung», «Drogendealer fiel bei Ausschaffung tot um» sind die Titel. Mit dem Hinweis darauf, dass der Mann bereits eine Ausschaffung verhindert hatte und wegen «qualifizierten Betäubunsgmittelhandels verurteilt und des Landes verwiesen worden war», wird der Tod von Abuzarifa gerechtfertigt. Somit kann die Geschichte getrost ad acta gelegt werden. Die NZZ berichtete in ihrer Ausgabe vom 20.5.99 über Proteste in Österreich nach dem Erstickungs-Tod eines afrikanischen Mannes bei der Ausschaffung. Dabei war folgendes zu lesen: «Vergessenes Prinzip Verantwortung. Haben die Sozialdemokraten, in der Regel gewiefte Machtpolitiker, die Polizei etwa nicht im Griff? Sie haben sie sehr wohl im Griff, doch gilt der Tod eines abzuschiebenden Afrikaners offensichtlich nicht als hinreichender Grund, das Prinzip Verantwortung zu bemühen.» Während in Österreich, Deutschland und Belgien Minister ihren Hut nehmen oder zumindest in der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen mussten, helfen die schweizer Medien mit, die Geschichte unter den Teppich zu wischen. Stirbt hingegen ein Sans-Papier in der Schweiz, so haben diese Gedanken in der Inland-Berichterstattung keinen Raum. Je näher die Ereignisse rücken, desto stärker wirkt der Korpsgeist.
Über die Ursache des plötzlichen Todes von Abuzarifa schweigen sich die Behörden nach wie vor aus, die Untersuchung wird von der Bezirksanwaltschaft Bülach verschleppt. ´augenauf´ erstattete am Donnerstag, dem 17.6.99 Anzeige wegen fahrlässiger Tötung, Unterlassung der Nothilfe, Gefährdung des Lebens und Körperverletzung gegen Regierungsrätin Rita Fuhrer gegen die unbekannten Polizeibeamten, die Khaled Abuzarifa am 3.3.99 zur Ausschaffung begleiteten und Ihren Vorgesetzten.


 
´augenauf´ fordert PUK
´augenauf´ forderte bereits am 5.3.99 – einen Tag nach dem Tod von Khaled Abuzarifa – eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), um die Umstände, welche zu seinem Tod führten genau zu ermitteln. Gemäss Polizeiangaben hat die Bezirksanwaltschaft Bülach eine Untersuchung des Falles eingeleitet. Die Unabhängigkeit dieser Behörde ist für ´augenauf´ nicht gegeben. Es ist bekannt, dass Ermittlungen gegen die Polizei von den Bezirksanwälten nur sehr zurückhaltend und widerwillig durchgeführt werden. Die Bezirksanwaltschaft Bülach hat zudem bereits in einem früheren Fall gezeigt, dass sie ausschaffende Polizisten auch bei krassen Übergriffen schützt. So wurde der „sans-papier“ Ahmed Hassouna der von der Kantonspolizei Zürich am 23. März 1998 ausgeschafft hätte werden sollen, genau in demselben Bereich des Flughafens, in dem der 27jährige Palästinenser am 4. März gestorben ist, brutal am Boden geschleift, weil er sich weigerte an seiner Ausschaffung zu kooperieren. Grosse Wunden an Handflächen und auf dem Rücken waren die Folgen. Die Bezirksanwaltschaft Bülach hat eine Strafuntersuchung gegen die namentlich bekannten Polizisten eingestellt, mit der Begründung, die angewandte Gewalt sei angemessen gewesen. Denselben Mann hat man dann am 19. Dezember 1998 versucht mit einer Zwangsmedikamentation auszuschaffen (Wir haben darüber in früheren Bulletins berichtet). Auch in dieser Untersuchung hat sich der zuständige Bezirksanwalt bereits kompromittiert: Seine Medienmitteilungen laufen über die Pressestelle der Kapo Zürich.
Es ist bekannt, dass im Gebiet des Flughafens Kloten Ausschaffungen immer wieder mit Gewalt und auch Zwangsmedikamentation durchgeführt werden. ´augenauf´ hat verschiedentlich solche Fälle dokumentiert. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im Grossen Rat der Stadt Bern, musste die verantwortliche Departementsvorsteherin eingestehen, dass «der Auszuschaffende in Handschellen und Fussfesseln gelegt wurde. Zusätzlich wurde ihm der Mund verklebt.» ´augenauf´ ist diese Art der Zwangsauschaffung seit mehr als eineinhalb Jahren bekannt. Es ist jetzt endlich an der Zeit, dass diese Methoden öffentlich untersucht werden und dass Verantwortliche für Übergriffe zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist eine politische Aufgabe, die nicht einer polizeinahen Bezirksanwaltschaft überlassen werden darf.
´augenauf´ wehrt sich ausserdem vehement gegen den Versuch der Kantonspolizei Zürich, den 27jährigen Palästinenser in der Öffentlichkeit als „renitent“ und als „Drogenhändler“ zu qualifizieren. Damit, so scheint es, soll bereits präventiv bei der Untersuchung möglicherweise an den Tag kommende Gewaltanwendung oder Zwangsmedikation gerechtfertigt werden.
 
Strafanzeige gegen Regierungsrätin Rita Fuhrer
Mehrere Personen erstatteten am Donnerstag, dem 17.6.99 Anzeige wegen fahrlässiger Tötung, Unterlassung der Nothilfe, Gefährdung des Lebens und Körperverletzung gegen Regierungsrätin Rita Fuhrer, gegen die unbekannten Polizeibeamten, die Khaled Abuzarifa am 3.3.99 zur Ausschaffung begleiteten und Ihren Vorgesetzten.
Begründung:
1. Fahrlässige Tötung:
Am 3. März 1999 verstarb Khaled Abuzarifa im Lift des Bürogebäudes A11 im Flughafen Kloten. Er war in Begleitung von Polizeibeamten. Gemäss Presseberichten war er mit einem Klebeband geknebelt. Gemäss Aussagen von Aerzten kann es bei einer solchen Knebelung zu einem Panikanfall, Erbrechen und Ersticken kommen. Wiederholt wurde in der Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass die Knebelung eines Menschen mit Hilfe von Klebeband lebensgefährlich sein kann. Es ist also davon auszugehen, dass sowohl die Beamten, die die Knebelung von Khaled Abuzarifa anordneten, wie jene, die sie durchführten und jene, die ihn begleiteten von der Gefährdung des Lebens von Khaled Abuzarifa wussten. Der Umstand, dass seit dem Tod von Khaled Abuzarifa, Personen die zwecks Ausschaffung mit Klebeband geknebelt werden, ein kleines Rohr durch das Klebeband in den Mund gesteckt wird, deutet darauf hin, dass der Tod von Khaled Abuzarifa mit seiner Knebelung in Zusammenhang steht.
Ebenfalls deutet die Aussage von Bernhard Scherren, Kommandant der Flughafenpolizei, dass ein Flughafen «ein Signal aussenden» müsse, das potentielle Einreisewillige ohne Visa abschrecke, darauf hin, dass mit politisch motivierter Härte gegen Ausschaffungsopfer vorgegangen wird und eventuell im Fall von Khaled Abuzarifa und anderer mit Klebband geknebelter Ausschaffungsopfer sogar der Tod in Kauf genommen wird. Frau Fuhrer hat mehrmals öffentlich die Ausschaffungsmethoden der ihr unterstellten Beamten gelobt und einmal sogar die Methoden von Kuweit als Vorbild genannt. Sie war sowohl über die Methoden wie auch die möglichen Folgen informiert, muss also schlussendlich für die Vorfälle auf dem Flughafen Kloten verantwortlich gemacht werden.
2. Unterlassung der Nothilfe:
Es ist anzunehmen, dass ein Mensch, der aufgrund der Knebelung mit Klebband einen Erstickungsanfall hat, Zeichen von sich gibt, die auf seine Todesangst und Not hinweisen. Als geschulte Beamte hätten die anwesenden Polizisten dies – den entsprechenden Willen vorausgesetzt – bemerken müssen und wären zur Hilfeleistung verpflichtet gewesen.
3. Gefährdung des Lebens:
Unterdessen sind weitere Fälle bekannt geworden, so derjenige von Lukombo Lombesi Joao am 9.5.99 , bei denen Polizeibeamte das Ausschaffungsopfer mit Klebband knebelten, um es so in ein Flugzeug zu transportieren. Bei diesen Ausschaffungen wurde dem Opfern ein Rohr durch das Klebband in den Mund gesteckt. Allerdings ist auch hier festzustellen, dass ein Angstanfall und anschliessendes Erbrechen zum Verstopfen des Rohres führen kann, so dass weitere Todesfälle nicht auszuschliessen sind.
4. Körperverletzung:
Lukombo Lombesi Joao wurde am 9.5.99. an Beinen und Oberkörper vollständig gefesselt den ganzen Weg nach Yaounde in einem Flugzeug transportiert. Während des ganzen Transportes von mehreren Stunden wurden ihm diese Fesselung nur einmal kurz abgenommen. Aufgrund des Blutstaus und der erzwungenen Bewegungslosigkeit während Stunden, kann eine solche Fesselung zu ernsthaften körperlichen Schäden führen. Herr Lombesi musste sich dann auch nach seiner Ausschaffung in ärztliche Pflege begeben. Herr Lombesi befand sich während der Ausschaffung in wehrlosem Zustand in der Obhut der Beamten, die seine Ausschaffung sicherstellen sollten. Der Anblick von Herrn Lombesi muss so schockierend gewesen sein, dass Passagiere zu seinen Gunsten eingegriffen haben. Auch hier ist zu befürchten, dass vorwiegend politische Gründe zu der besonders brutalen Form der Ausschaffung geführt haben.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zum Archiv

URL dieser Seite