Bulletin Nr. 28; Juli 2000
"Aktion Wolf "
Spezialeinheit der Basler Polizei überfällt kurdische Familie
Am 22. Februar 1999 morgens um fünf Uhr zwanzig stürmt die
Sondereinheit Basilisik der Basler Polizei die Wohnung einer ahnungslos
schlafenden kurdischen Familie.
"Die sieben Personen im Erdgeschoss eines Wohnpavillons erwachen vom Donner
einer zertrümmerten Tür. Kurz darauf dringen Männer in die Schlafzimmer
ein, zerren die Schläfer aus ihren Betten, fesseln sie mit Handschellen,
stülpen ihnen Stoffsäcke über die Köpfe und legen sie auf den Boden. Unter
den Gefesselten befinden sich auch der geistig schwer behinderte Ali und
die vierzehnjährige Zerrin. Der Familie ist nicht klar, dass es sich bei
den Eindringlingen um eine Sondereinheit der Polizei handelt. Die ungefähr
zehn Männer sind bewaffnet und tragen einen dunkelblauen Kampfanzug,
kugelsichere Westen und sind vermummt mit Kappen mit Augenlöchern,
sogenannten Sturmhauben. Das Gebäude ist umstellt von weiteren Polizisten.
Laut Angaben der Familie E. sind etwa 30 Männer im Einsatz."
So berichtete die Basler Zeitung am 25. Februar.
Mit vorgehaltener Waffe werden verängstigte NachbarInnen zurückgedrängt.
Die drei Söhne der Familie werden - in Unterhosen - abgeführt, in
Einzelzellen gesteckt und dann am Nachmittag wieder freigelassen. Die
misshandelten Familienmitglieder zeigen Blutergüsse und Wunden. Der geistig
behinderte Bruder erleidet infolge des Traumas mehrere epileptische Anfälle.
Seltsame Ermittlungsmethoden
Die Polizei behauptet, die Hausdurchsuchung stehe im Zusammenhang mit
Ermittlungen zu einer Auseinandersetzung zwischen kurdischen und türkischen
Leuten im November 1999 in der Nähe des Güterbahnhofs Wolf, von der die
Polizei vermutet, dass eventuell auch eine Schusswaffe abgefeuert worden
sein könnte.
Insgesamt seien an neun verschiedenen Orten elf Personen festgenommen
worden, die alle kurz darauf wieder freigelassen wurden. Es scheint, dass
nur bei der Familie E. eine Sondereinheit eingesetzt wurde. Waffen wurden
bei der Hausdurchsuchung keine gefunden. Der Hauptverdächtige war während
der Tatzeit nachweislich an seinem Arbeitsplatz. Eine simple Tatsache, die
die Polizei trotz dreimonatiger Ermittlungszeit vor dem Überfall nicht
festzustellen imstande war.
Reaktionen und Folgen
Der Anwalt der Familie hat beim Ersten Staatsanwalt Einsprache erhoben und
Strafanzeige wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung erstattet. Publik
wurde der Skandal durch mehrere Artikel von M. Wyssmann in der Basler
Zeitung. Dadurch wurden diverse Reaktionen ausgelöst. In einer spontanen
Demonstration gaben etwa hundert Personen ihrer Empörung über das
rassistische, gewalttätige Vorgehen der Polizei Ausdruck.
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates ist ebenfalls aktiv
geworden. Es ist nicht das erste Mal, dass sie von der Praxis des "Sack
über den Kopf Stülpens" hören. Im Rahmen des allgemeinen Berichtes der
Geschäftsprüfungskommission, der im Herbst erscheint, wird die GPK auch zur
"Aktion Wolf" Stellung nehmen. Zudem hat J. Goepfert (SP) eine
Interpellation im grossen Rat eingereicht. Die Antworten von Regierungsrat
Schild (PMD) auf die verschiedenen Vorwürfe waren unqualifiziert und nicht
zufriedenstellend. Im wesentlichen repetiert er, dass der Einsatz durchaus
verhältnissmässig gewesen sei. Er leugnet, dass die drei Verhafteten in
Unterhosen abgeführt worden seien und dass dem 14-jährigen Mädchen ein Sack
über den Kopf gestülpt worden sei. Damit widerspricht er unverfroren
verschiedenen Zeugenaussagen.
Stolz weist Herr Schild zudem daraufhin, dass es weder bei der "Aktion
Wolf" noch bei ähnlichen Einsätzen in jüngerer Vergangenheit zu einem
Schusswechsel kam, was hauptsächlich auf das konsequente und sorgfältig
geplante Vorgehen der Einsatzkräfte zurückzuführen sei. Eine ausgesprochen
zynische Aussage in Anbetracht der Tatsache, dass bei der Aktion Wolf
einzig die Polizei über Waffen verfügte.
"augenauf Basel" verurteilt aufs schärfste die "Aktion Wolf" und die von
der Sondereinheit "Basilisk" angewandten Methoden. Mit Befremden stellen
wir fest, dass die Polizei trotz dreimonatiger Voruntersuchung nicht
imstande war, von vornherein festzustellen, von welchen Familienmitgliedern
die Wohnung bewohnt wird und dass der vermeintlich Hauptverdächtige zur
Tatzeit friedlich an seinem Arbeitsplatz gewesen war.
Demütigung als Taktik?
Das Vorgehen, den Überwältigten Kapuzen überzustülpen und dann Einzelne nur
mit Unterhosen bekleidet in eine Zelle zu verfrachten, kann keinenfalls mit
irgendwelchen polizeitaktischen Massnahmen erklärt werden. Diese Techniken
dienen ausschliesslich der Demütigung und Einschüchterung der Verhafteten.
Damit gibt die Basler Polizei zu erkennen, wie sie die hier lebenden
KurdInnen einschätzt beziehungsweise behandelt: als potentielle TerorristInnen.
Offiziell wurde in einer Schlägerei zwischen Türken und Kurden ermittelt.
Ein derart unverhältnismässiges Vorgehen kann dadurch jedoch nicht
gerechtfertigt werden. Oder folgen einer Schlägerei zwischen Schweizer
Gangs - z.B. zwischen verschiedenen Fussballfans - ebensolche
Spezialeinsätze? Sei es, dass ganz einfach "die Kurden" eingeschüchtert
werden sollen, sei es, dass die Polizei die kurdische Familie für eine
Einsatzübung missbrauchte, mit solch rassistischem Vorgehen betreibt die
Polizei eine menschenverachtende Politik. Die "Aktion Wolf" ist kein
spektakulärer Einzelfall, aber der einzige Fall, der bisher an die breite
Öffentlichkeit gedrungen ist.
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