Bulletin Nr. 31; Juni 2001
Betreuung der Ausschaffungsgefangenen im Flughafengefängnis
Fuhrer übernimmt, das Rote Kreuz spielt mit
Weil dem Sozialdienst der Justizdirektion und der gemeinsam von Caritas und HEKS
getragenen Beratungsstelle Bertastrasse zu grosse Nähe zu augenauf nachgesagt wurde,
mussten sie das Ausschaffungsgefängnis in Kloten verlassen. Die Sektion Zürich des
Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) ist in die Lücke gesprungen - und weckt damit
Erinnerungen an unselige Zeiten.
Ende Januar 2001 hat die Beratungsstelle für AsylbewerberInnen - in Zürich besser bekannt unter dem Namen
«Bertastrasse» - ihre Tätigkeit im Flughafengefängnis beendet. Am 15. März hatten auch die MitarbeiterInnen des
Sozialdienstes der Justizdirektion ihren Letzten. Die beiden Dienste waren zusammen mit der ehemaligen
Gefängnisdirektorin Barbara Ludwig - sie hatte ihren Posten bereits Ende letzten Jahres verlassen - das «Korrektiv»
im Ausschaffungsknast. Sie verhinderten ein wenig, dass die für den Ausschaffungsvollzug zuständige Zürcher
Kantonspolizei unter Regierungsrätin Rita Fuhrer im rechtsfreien Raum agieren konnte.
Den rechten Scharfmachern war diese Konstellation seit längerem ein Dorn im Auge. Im Zürcher Kantonsrat hatte die
SVP bereits 1998 gefordert, dass das Flughafengefängnis der Kontrolle der Justizdirektion entrissen und der
Polizeidirektion übergeben würde. Der Vorstoss wurde zurückgewiesen.
Jetzt kann die SVP dennoch zufrieden sein. Justizdirektor Markus Notter (SP) hat mit Victor Gähwiler einen
freisinnigen Technokraten als Nachfolger für die unbotmässige Barbara Ludwig gewählt. Gähwiler hat sich in der
Vergangenheit als Verfechter einer Privatisierung des Gefängniswesens einen Namen gemacht. Die Häftlinge in
Kloten haben im Februar die neue Führung zu spüren bekommen: Einen Gefangenen liess Gähwiler in den Bunker
werfen, weil er nicht mit der Kantonspolizei kooperiert hat. Und einen Hungerstreik beendete er, indem er die
protestierenden Gefangenen in die geschlossene «Eintrittsabteilung» des Gefängnisses verlegte.
Noch besser wird das neue Selbstverständnis des Ausschaffungsgefängnisses bei den Neuerungen im Bereich
Rechts- und Sozialberatung sichtbar. Rita Fuhrer hat im letzten Jahr ohne Rücksprache mit den Verantwortlichen des
in Kloten tätigen Sozialdienstes und der «Bertastrasse» einen Vertrag mit der Sektion Zürich des Schweizerischen
Roten Kreuzes ausgearbeitet, der dem SRK als einziger «aussenstehender» Organisation den Zugang zum
Ausschaffungsgefängnis sichert. Das unter Verschluss gehaltene Dokument sieht vor, dass das SRK für jährlich 300
000 Franken im Flughafengefängnis eine Rechtsberatung sicherstellt und den Häftlingen eine so genannte
«Rückkehrberatung» zukommen lässt.
Die Rechtsberatung, die bisher von HEKS und Caritas finanziert worden ist, wird neuerdings von einer im Solde Rita
Fuhrers stehenden Angestellten des SRK wahrgenommen, die von den Zwangsmassnahmen und der
Ausschaffungsproblematik keine Ahnung hat. Die «neue» Rechtsberatung wurde so hahnebüchen eingeführt, dass
sich die Fachleute der «Bertastrasse» trotz ihres Rauswurfes genötigt sahen, mit dem SRK einen
«Monitoring»-Vertrag zu unterzeichnen. Caritas und HEKS sind der Meinung, dass man der SRK-Rechtsberatung auf
die Finger schauen müsse, um das Schlimmste verhindern zu können. Noch skandalöser ist die Übernahme der
bisher vom Sozialdienst der Justizdirektion wahrgenommenen Betreuung der Ausschaffungsgefangenen durch die
Abteilung «Rückkehrhilfe» des SRK. Die MitarbeiterInnen des Sozialdienstes haben sich in den letzten fünf Jahren als
PionierInnen im Umgang mit Ausschaffungsgefangenen ein Fachwissen erarbeitet, das heute nicht mehr von Interesse
ist. Die SozialarbeiterInnen erfuhren aus einem Stelleninserat des SRK, dass sie ihren Job verlieren werden. Und das
SRK war nicht daran interessiert, das Fachwissen der VorgängerInnen anzuzapfen.
Das verwundert nicht, wenn man weiss, dass die SRK-Leute andere Ziele verfolgen. Nicht praktische Hilfe - die
Beschaffung von von der Polizei bei Verhaftungsaktionen liegen gelassenen Effekten zum Beispiel oder die
Kontaktnahme mit Verwandten in der Heimat der Ausschaffungsgefangenen - ist das Ziel des Roten Kreuzes, sondern
eine völlig abstruse Rückkehrhilfe. Was «Rückkehrhilfe» - am «Ausschaffungsgefangenen» praktiziert - überhaupt
sein soll, können die Verantwortlichen des SRK nicht erklären. Auf diesem Gebiet müsse man noch Erfahrungen
sammeln, heisst es auf Anfrage.
Nur etwas wissen die Rot-Kreuz-Leute: Sie wollen sich nicht in die Niederungen einfacher Sozialarbeit begeben. Die
in der Verordnung über das Flughafengefängnis neben der Seelsorge oder der Gesundheitsversorgung zwingend
vorgeschriebene Sozialberatung nimmt das SRK nicht wahr. Dafür sind nach dem Rauswurf des Sozialdienstes die
Gefängniswärter zuständig.
Das Schweizerische Rote Kreuz lässt sich nicht zum ersten Mal von staatlichen Stellen für eine menschenverachtende
Flüchtlingspolitik instrumentalisieren. Noch kein Jahrzehnt ist vergangen, seit sich die Führung des SRK für die
Haltung der Organisation während des Zweiten Weltkrieges entschuldigen musste. Damals hatten die
Rot-Kreuz-Helfer dafür gesorgt, dass jüdische Kinder von den Ferienprogrammen in der Schweiz ausgeschlossen
waren.
augenauf Zürich
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