Bulletin Nr. 31; Juni 2001
Rubrik Kurzmeldungen
Auge drauf
Polizeisprecher gebüsst
Der inzwischen pensionierte Polizeisprecher der Kantonspolizei Zürich, Robert Leiser, ist von der Bezirksanwaltschaft
Zürich mit 800 Franken gebüsst worden. Er hatte sich eine Amtsgeheimnisverletzung zu Schulde kommen lassen,
indem er ein Foto des Asylbewerbers Lukombo Lombesi an die Boulevardzeitung «Blick» weitergab. Der «Blick»
veröffentlichte das Bild auch prompt. Leiser wollte durch die Weitergabe des Bildes (zusammen mit einem
«Quasi-Fahndungsaufruf») Stimmung gegen Afrikaner machen. Der Kantonspolizei war es nämlich trotz brutalen
Level-3-Methoden nicht gelungen, Lombesi auszuschaffen, und sie fürchtete nun negative Medienberichte über die Art
und Weise der Ausschaffung. Im Flugzeug war es wegen der Behandlung Lombesis zu Tumulten gekommen, und der
Pilot kritisierte danach die Polizeimethoden als «absolut barbarisch».
Zwangsspritze
Das Amt für öffentliche Sicherheit des Kantons Solothurn bestätigt in einem Brief an das Genfer «Centre Social
Protestant» die Anwendung zwangsweiser Beruhigungsspritzen zwecks störungsfreier Ausschaffung. Ein Flüchtling
aus Guinea ist am 19. August 1999 via Brüssel nach Abidjan (Elfenbeinküste) ausgeflogen worden. Zuvor
verabreichte ihm der Gefängnisarzt per Spritze Valium und Clopixol retard. Die Solothurner Behörden argumentieren,
dass die Zwangsmedikation erfolgte, «um eine drohende Selbstverletzung und Drittgefährung auf ein Minimum zu
reduzieren». Die Zwangsspritze sei im Kanton Solothurn «keine gängige Praxis», sondern erfolge nur nach
«medizinischer Indikation» und stelle eine Ausnahme dar, die zur Gewährung der Sicherheit aller Beteiligten getroffen
werde. Bislang wurde die Zwangsmedikation von den Behörden, trotz vieler anderslautender Berichte von
Betroffenen, meist bestritten.
Mobile Polizeiposten im Kreis
Im Rahmen der schon beinahe traditionellen Frühlingsaktion der Zürcher Polizei zur Zerschlagung der offenen
Drogenszene wurde die Bäckeranlage (ein kleiner Park im Stadtkreis 4) in diesem Jahr für zwei Wochen mit einem
hohen Gitterzaun geschlossen. Die Polizei verstärkte ihre sowieso schon grosse Präsenz in Aussersihl (Kreise 4 und
5). Am Limmatplatz sowie an der Hohlstrasse stehen seither immer wieder mobile Einsatzposten. Neu ist, dass die
Polizeikontrollen koordiniert und unterstützt werden durch Patrouillen der SIP (Sicherheit-Intervention-Prävention), die
dem Sozialdepartement untersteht.
Inzwischen schreien auch ehemalige Bewegte aus den Achtzigerjahren und alternative Kreise lauthals nach mehr Polizei, nach der Zerschlagung der
Drogenszene sowie nach einer «Aufwertung» des Kreises 4. Die Stadtbehörden denken derweil darüber nach, wie
die neuen Mittelschichten einquartiert werden können. In einem solchen Klima sind Repression, Diskriminierung und
Übergriffe der Polizei an der Tagesordnung. Hier ein paar Beispiele aus den Kreisen 4 und 5 aus den vergangenen
Monaten:
- Ein dunkelhäutiger Schweizer wird von drei Polizisten an der Ecke Hohl-/Langstrasse kontrolliert. Als er sich über
den harschen Ton beschwert, wird er als Dealer bezichtigt, und die Beamten sagen ihm, er solle doch zurück nach
Afrika.
- Eine Frau muss sich auf offener Strasse bis auf die Unterhosen ausziehen, obwohl sie mehrfach darauf besteht,
dass dies auf dem Polizeiposten zu geschehen hat. Als die Polizisten keine Drogen finden, wird sie doch noch auf
den nahe gelegenen Posten gebracht, wo sie sich diesmal ganz nackt ausziehen muss. Nach gut zwei Stunden wird
sie ins Rückführungszentrum gebracht.
- Eine junge Frau wird mit Handschellen abgeführt, da sie sich weigert, ihren Hund an die Leine zu nehmen. Als der
Hund zu bellen beginnt, droht ein Polizist, den «Köter» zu erschiessen.
- Ein Drogenkonsument gerät an der Langstrasse in eine Personenkontrolle. Dabei wird bei ihm eine kleinere Menge
Heroin sichergestellt. Ein Polizist zeigt auf einen ebenfalls kontrollierten Schwarzen und fragt, ob er das Heroin «von
dem dort» habe. Als er den Kopf schüttelt, schlägt ihm der Polizist ins Gesicht und meint, dass er ihn nicht anlügen
soll.
Frepo weist per Verfügung aus
Immer wieder hört augenauf von hier aufgewachsenen oder schon seit über 20 Jahren in der Schweiz lebenden
Personen (AusländerInnen mit einer Niederlassungsbewilligung C), die von der Fremdenpolizei per Verfügung in ihr
Heimatland, das sie kaum noch kennen, ausgewiesen werden.
So wurde beispielsweise ein 33-jähriger Marokkaner, der seit seinem elften Altersjahr in der Schweiz lebt, von der
Fremdenpolizei des Kantons Aargau «für unbestimmte Zeit» aus der Schweiz ausgewiesen. Der Mann hat sich
verschiedene kleine Delikte zu Schulden kommen lassen, aber es gibt kein Gerichtsurteil, das ihn des Landes
verwiesen hätte.
Ein indischer Computerspezialist aus dem Kanton Aargau, der schon seit über 30 Jahren in der Schweiz lebt, wurde
von der Fremdenpolizei ausgewiesen, weil er sich seit Jahren weigert, die Alimente für sein Kind aus erster Ehe zu
bezahlen.
Im weiteren sind uns auch die Fälle einer 30-jährigen Kroatin und eines 24-jährigen Türken bekannt, die wegen
kleinerer Delikten und wegen ihrer langjährigen Fürsorgeabhängigkeit aus der Schweiz ausgewiesen wurden,
nachdem man ihnen die Niederlassungsbewilligung C entzogen hatte.
Polizei eingeklagt
Der Kanton Baselland hat sich geweigert, ein Strafverfahren von augenauf Basel gegen Polizeibeamte und
Gefängnismitarbeiter zu eröffnen. Nun wird der Kanton dazu gezwungen.
augenauf Basel hat im September 2000 gegen Regierungsrat Andreas Koellreuter und weitere unbekannte Personen
ein Strafverfahren wegen Nötigung, Tätlichkeit, einfacher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Gefährdung des
Lebens eingereicht. Es ging dabei um die Ausschaffung des Libanesen A.E. (siehe Bulletin Nr. 29), der vor der
Rückschaffung nach Beirut im Liestaler Bezirksgefängnis aufs Übelste malträtiert wurde.
Schon bald nach Einreichen der Anzeige weigerte sich das Besondere Untersuchungsrichteramt, das Verfahren zu
eröffnen. Das erstaunt nicht weiter, hatte der verklagte Regierungsrat doch schon an der
Anti-Rassismus-Demonstration im letzten September in Liestal versucht, augenauf mundtot zu machen. Gegen den im
Dezember erfolgten Einstellungsbeschluss des Untersuchungsrichteramts rekurrierte augenauf beim kantonalen
Verfahrensgericht. Die Klage gegen Koellreuter, den wir als politisch Verantwortlichen miteinbezogen hatten, liessen
wir mangels Erfolgsaussichten fallen. Gegen die beteiligten Beamten hingegen wollten wir den Einstellungsbeschluss
nicht hinnehmen, zumal die Begründung, dass «mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Straftat ausgeschlossen
werden» könne, an Zynismus kaum zu überbieten ist.
Das Verfahrensgericht hat nun die Beschwerde von augenauf vollumfänglich gutgeheissen und das
Untersuchungsrichteramt somit gezwungen, gegen seinen Willen ein Verfahren zu eröffnen.
Prospekt gegen die Polizei
Die augenauf-Mitglieder aus dem Raum Basel kennen ihn, andere AbonnentInnen des Bulletins können ihn unter
www.augenauf.ch anschauen: Den Prospekt, den augenauf Basel zur Uhren- und Schmuckmesse 2001 Ende März
erstellt hatte. Wir verteilten gut 8000 Exemplare mit nützlichen Tipps an die ausländischen MessebesucherInnen.
Da ausländisch aussehende Personen in Basel ein gewisses Risiko eingehen, rieten wir unter anderem dazu, das
Hotel nicht ohne Pass zu verlassen, die Kreditkarte immer auf sich zu tragen und bei einem Zusammentreffen mit der
Polizei darauf hinzuweisen, dass man über ein Rückflugticket verfüge und nicht die Absicht habe, in der Schweiz ein
Asylgesuch zu stellen.
Ein Ziel unserer Verteilaktion war, darauf hinzuweisen, dass es in der Schweiz zwei Kategorien von AusländerInnen
gibt:
Gut betuchte TouristInnen und Geschäftsleute, mit denen sich Basel oft und gerne als weltoffene Stadt brüstet, sowie
Menschen, die aus wirtschaftlicher Not oder politischer Verfolgung in die Schweiz geflüchtet sind - und hier
unerwünscht sind.
Nicht auf Begeisterung gestossen ist der Prospekt bei der Basler Polizei. Deren Sprecher liess gegenüber der
Presse verlauten, das Ganze sei «eine Diffamierung der Polizei und der Behörden» und es werde eine Strafanzeige
geprüft. Zu einem Verfahren ist es bis heute nicht gekommen.
Solothurn und Menschenrechte
Wie im Bulletin Nummer 30 berichtet, hat der Kanton Solothurn im Ausschaffungsgefängnis die gesetzlich
vorgeschriebenen Haftbedingungen in keiner Art und Weise eingehalten. Den Insassen wurde der Hofgang
vorenthalten, sie hatten keine Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten und somit auch keine Möglichkeit, Geld zu
verdienen.
Unter dem Druck verschiedener Interventionen von augenauf hat sich der Kanton inzwischen dazu durchgerungen,
zumindest die gesetzlichen Mindeststandards einzuhalten. Dass dies keine Garantie für die Zukunft ist, wissen alle,
die sich im Kanton Solothurn auskennen: Schon 1997 musste der Kanton vom Bundesgericht zu einer Änderung der
unhaltbaren Haftbedingungen gezwungen werden.
Antisemit bei umverkehr
Die umverkehr-Initianten luden den notorischen Antisemiten Erwin Kessler (Vereinigung gegen Tierfabriken) zu ihrer
Benefizparty vom 1. Juni in der Kanzleiturnhalle in Zürich ein, um Vegi-Würstchen zu braten. Raffael Ullmann, Sekretär
der Vereinigung Kritischer Jüdinnen und Juden der Schweiz, hat im Vorfeld von dieser Einladung erfahren und
dagegen protestiert. Dies bewegte Michael Tanner, den Sekretär von umverkehr nicht zu einer Ausladung. Er
bedauerte lediglich, dass «Kessler sich immer wieder teilweise undifferenziert gegen schächtende Juden äusserte»,
aber er sehe die ganze Sache wie ein Pfefferkorn in der Suppe.
Ausgeladen wurde Kessler dann doch - was ihn jedoch nicht daran hinderte, am Fest aufzutauchen und antisemitische
Broschüren zu verteilen. Ullmanns Versuch, die Verantwortlichen für das Fest zum Eingreifen zu bewegen, fruchteten
nicht. Ihre Antwort: Sie hätten Kessler «nur als Tierschützer» eingeladen. Vertrieben wurde Kessler schliesslich von
den Leitern des Kanzleiareals.
Exodus-Konferenz in Genf
Vom 17. bis 20. Mai trafen sich rund 40 Personen, die Flüchtlinge auf den europäischen Flughäfen betreuen, zu einer
Konferenz in Genf. augenauf war an der Tagung zum 2. Mal vertreten. Unter den Teilnehmenden waren
SeelsorgerInnen, SozialarbeiterInnen, Mitglieder von Besuchergruppen, aber auch JuristInnen. Bei der Konferenz
zeigte sich, dass auf den meisten Flughäfen ähnliche Probleme bestehen: So ist überall der Zugang zu den
Flüchtlingen äusserst schwierig. Die Politik hat die Probleme an den Flughäfen bislang jedoch nicht begriffen: Ein
Bericht vom Europaratsabgeordneten Andy Gross wurde einhellig als veraltet und ungenau kritisiert.
Neben augenauf war auch ein Klotener Flughafenpfarrer an der Konferenz anwesend. Dieser bezeichnete die
Situation auf dem Flughafen als zufriedenstellend.
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