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Offener Brief

Mehmet Eşiyok darf nicht an die Türkei ausgeliefert werden

Seit über 30 Monaten sitzt Mehmet Eşiyok, ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der kurdischen Arbeiterpartei PKK, in der Schweiz in Auslieferungshaft. Seine Auslieferung wird von der Türkei verlangt. Alt-Bundesrat Blocher hat sie während seines denkwürdigen Besuchs in der Türkei im Oktober 2006 in einem Akt vorauseilenden Gehorsams öffentlich unterstützt.

Heute darf man davon ausgehen, dass das Strafverfahren, für dessen Weiterverfolgung Eşiyok ausgeliefert werden soll, von den türkischen Behörden konstruiert worden ist, um den Regimegegner auf die internationalen Fahndungslisten setzen zu können. Das sagt nicht nur der deutsche Gutachter und Türkei-Experte Helmut Oberdiek, sondern auch das Bundesamt für Migration.

Auch die Garantien der türkischen Regierung, Mehmet Eşiyok im Falle einer Auslieferung nicht zu foltern und ihm ein rechtsstaatliches Verfahren zu gewähren, sind wenig glaubwürdig. Die renommierten Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch und die Asylbehörden in Bern bestätigen dies.

Allen Beteiligten muss deshalb klar sein, dass Mehmet Eşiyok im Falle einer Auslieferung wenig Chancen hat, die türkischen Gefängnisse lebend zu verlassen. Trotzdem beharrt der Bundesrat und mit ihm die Schweizer Justiz auf seiner Auslieferung. Weder die Tatsache, dass Eşiyok innerhalb der PKK nie eine militärische Funktion inne hatte, noch die von der 30-monatigen Einzelhaft und einem 58-tägigen Hungerstreik zerrüttete Gesundheit des Gefangenen haben an der unverständlichen Haltung der Schweizer Behörden bisher etwas ändern können.

Das darf nicht so bleiben:

Das gute Verhältnis zur Türkei, die fest entschlossen ist, den Konflikt in den kurdischen Gebieten mit militärischer Gewalt zu lösen, darf dem Bundesrat nicht wichtiger sein, als das Leben und die Gesundheit eines politischen Flüchtlings, der in der Schweiz Schutz sucht.

Die nur widerwillig abgegebenen und schwachen Garantien der Türkei müssen vom Bundesrat und insbesondere vom EDA noch einmal kritisch hinterfragt werden.

Im Rahmen dieser Überprüfung muss auch die Frage beantwortet werden, was der Bundesrat und die Schweizer Diplomatie für Mehmet Eşiyok tun könnten, wenn die Türkei trotz der Garantien den von der Schweiz ausgelieferten kurdischen Flüchtling foltern oder in einem politisch motivierten Verfahren verurteilen würde.

Die Auslieferung von Mehmet Eşiyok würde von vielen kurdischen Menschen als Parteinahme für die türkische Regierung und die Politik der Armee gegen die PKK wahrgenommen. Die Möglichkeit der Schweiz, auch in diesem Konflikt als Vermittlerin aufzutreten, würde dadurch verbaut. Das gilt es zu verhindern.

Die Auslieferung von Mehmet Eşiyok wäre ein politischer Akt. Sie würde aufgrund eines in der Türkei eröffneten Strafverfahrens und aufgrund von Garantien des türkischen Staates vollzogen, deren Rechtmässigkeit von den Asylbehörden in Bern angezweifelt werden. In einer solchen Situation ist es Aufgabe des Bundesrates, zu handeln.

Die Unterzeichnenden fordern deshalb die Vorsteherinnen des Justiz- und Polizeidepartement und des Departments für auswärtige Angelegenheiten auf, das Verfahren zu überprüfen und auf die Auslieferung von Mehmet Eşiyok zu verzichten.

ErstunterzeichnerInnen: Leni Altweg, Pfarrerin i.R., Zürich; Anselm Burr, Pfarrer, City-Kirche offener St. Jakob, Zürich; Franco Cavalli, alt Nationalrat SP; Hans Fässler, Historiker, Kantonsschulehrer, St. Gallen; Balthasar Glättli, Generalsekretär Solidarité sans Frontières, Gemeinderat Grüne, Zürich; Greis, Musiker und Wortkünstler; Remo Gysin, alt National- und Regierungsrat, Basel; Franz Hohler, Kabarettist und Schriftsteller; Marianne Huguenin, Statdtpräsidentin Rennens; Käthi La Roche, Pfarrerin Grossmünster, Zürich; Peter Niggli, Zürich; Bigna Rambert, Psychiaterin/Psychoanalytikerin, Zürich; Rudolf Rechsteiner, Nationalrat, Basel; Paul Rechsteiner, Nationalrat, Präsident Schweizerischer Gewerkschaftsbund, St. Gallen; Angela Thomas und Erich Schmid, Kunsthistorikerin und Filmemacher, Zumikon; Daniel Vischer, Nationalrat, Zürich; Urs Widmer, Schriftsteller, Zürich; (Stand: 12. 9. 2008)

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