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Zum Tod des Asylbewerbers Samson Chukwu in der Ausschaffungshaft

Presse-Archiv  

 

© Basler Zeitung online 01.05.2001

Ein Asylbewerber widersetzt sich seiner Ausschaffung und stirbt

GRANGES - In Granges ist am frühen Morgen ein inhaftierter 27-jähriger Asylbewerber gestorben, nachdem er sich gegen seine Ausschaffung gewehrt hatte. Weil sich der Nigerianer wehrte, musste die Polizei Gewalt anwenden, um den Mann in Handschellen zu legen, worauf dieser leblos liegenblieb. Laut Polizeimitteilung versuchten die Beamten, den Mann wiederzubeleben.
Der Asylbewerber hätte von zwei Kantonspolizisten zum Flughafen Zürich eskortiert werden sollen. Der Untersuchungsrichter hat inzwischen eine Autopsie angeordnet, um die Todesumstände zu klären.

 

© Basler Zeitung 02.05.2001

27-jähriger Nigerianer bei Ausschaffung gestorben

Granges. AP/BaZ. Ein 27-jähriger Nigerianer ist am frühen Dienstagmorgen bei der Ausschaffung aus der Anstalt in Granges (VS) gestorben.
Der abgewiesene Asylbewerber hatte sich der Ausschaffung widersetzt, wie die Kantonspolizei Wallis am Dienstag mitteilte. Gegen 2 Uhr wollten zwei Beamte der Kantonspolizei den Häftling in den Flughafen Zürich-Kloten überführen, schreibt die Polizei. Weil sich der Nigerianer heftig gegen die Ausschaffung gewehrt habe, hätten die Beamten Verstärkung angefordert. Der Nigerianer sei schliesslich in Handschellen gelegt worden. Kurze Zeit danach hätten die Beamten bemerkt, dass der Gefesselte keine Reaktion mehr zeigte. Sie hätten erste Hilfe geleistet und eine Reanimation mittels künstlicher Beatmung versucht. Ein herbeigerufener Arzt und zwei Sanitäter konnten laut Polizei aber nur noch den Tod feststellen. Der Walliser Untersuchungsrichter ordnete eine Autopsie zur Klärung der Todesursache an.
Das Opfer befand sich schon seit mehreren Monaten in Ausschaffungshaft, weil er schwere Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen hatte. Er hätte am Dienstag unter Polizeiaufsicht in seine Heimat ausgeschafft werden müssen.
 

© Berner Zeitung 3.05.2001

Keine Anzeichen für eine Misshandlung gefunden

Die Leiche des 27-jährigen Nigerianers, der am Dienstag bei der Ausschaffung in Granges VS gestorben war, weist keine Würg- oder Schlagverletzungen auf. Dies zeigen die ersten Resultate der Autopsie.

Die Aussagen der Ärzte des Gerichtsmedizinischen Institutes in Lausanne seien eindeutig, erklärte der zuständige Untersuchungsrichter Jacques Delavallaz gestern der Nachrichtenagentur sda. Zur Ermittlung der genauen Todesumstände sind jedoch weitere Abklärungen nötig, die mehrere Wochen dauern dürften.
Der Asylbewerber war am Dienstag um 2.00 Uhr von zwei Kantonspolizisten abgeholt worden, die ihn zur zwangsweisen Ausschaffung zum Flughafen Zürich-Kloten hätten eskortieren sollen. Weil sich der Mann heftig widersetzte, wendeten die Beamten mit Hilfe eines herbeigerufenen Aufsehers Gewalt an, um dem Ausschaffungshäftling Handschellen anzulegen.
Der Nigerianer blieb daraufhin leblos liegen. Wiederbelebungsversuche fruchteten nicht, und der später eingetroffene Arzt konnte um 3.00 Uhr nur noch den Tod des Asylbewerbers feststellen. Der Nigerianer hatte sich seit mehreren Monaten in Ausschaffungshaft befunden, nachdem sein Asylgesuch abgewiesen worden war. Zuvor hatte er wegen Drogendelikten in Untersuchungshaft gesessen.
Es ist dies nicht der erste Todesfall bei einer zwangsweisen Ausschaffung von abgewiesenen Asylbewerbern: Am 3. März 1999 erstickte ein 27-jähriger Palästinenser bei einem Ausschaffungsversuch im Flughafen Zürich-Kloten. Um ihn am Schreien zu hindern, hatten ihm die begleitenden Beamten den Mund zugeklebt. Inzwischen ist gegen die Beteiligten - drei Polizisten und einen Arzt aus dem Kanton Bern - Anklage erhoben worden. Ihnen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.
In Österreich starb am 1. Mai 1999 der nigerianische Asylbewerber Marcus Omofuma bei seiner Ausschaffung auf dem Flug nach Sofia. Der Vorfall hatte in Österreich eine heftige Debatte über die Ausschaffungspraxis ausgelöst. Ebenfalls aus Nigeria stammte die Asylbewerberin Semira Adamu, die im September 1998 bei ihrer Ausschaffung aus Belgien ums Leben kam. Der Tod der 20-Jährigen führte zum Rücktritt des damaligen belgischen Innenministers Louis Tobback. sda

 

© SonntagsZeitung 13.05.2001

Europarat will Ausschaffungspraxis überprüfen

Europaweit sind seit 1991 insgesamt 13 Personen während ihrer Auschaffung ums Leben gekommen - zwei davon in der Schweiz. Ein Bericht im Europarat will die Umstände erhellen. «Die Schweiz», sagt die Autorin, die Berner SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot, «muss sich ebenfalls heftige Vorwürfe gefallen lassen». Die Zwangsausschaffungen würden in einem juristischen Graubereich abgewickelt. Die Anwendung von Gewalt werde stillschweigend von den Behörden toleriert, man nehme, auch in der Schweiz, die Verletzung von Menschenrechten in Kauf. Abklärungen in Frankreich und Belgien hätten zudem gezeigt, dass selbst massive Übergriffe von Beamten gegenüber Asylsuchenden nicht geahndet würden. Im Bericht werden Gegenmassnahmen gefordert: Die auszuschaffenden Personen müssten besser auf die Rückkehr vorbereitet und während der Ausschaffung von psychologischen Betreuern begleitet werden. Zudem dürften die Ausschaffungen nicht auf Kosten der körperlichen Integrität gehen.

 

© SonntagsZeitung 13.05.2001

Tod in Haft: Neue Untersuchung

SP-Nationalrätin Vermot fordert unabhängige Untersuchung im Fall des bei der Ausschaffung gestorbenen Nigerianers

VON HUBERT MOOSER

BERN/SITTEN - Der Tod eines nigerianischen Häftlings während einer Ausschaffungsaktion in einem Walliser Gefängnis soll durch ein ausserkantonales Gremium untersucht werden. Der wegen Drogenhandels verurteilte und mit Landesverweis bestrafte Asylsuchende Samson Chukwu hatte sich am 1. Mai der Ausschaffung widersetzt. Schliesslich gelang es zwei Polizisten einer Antiterroreinheit und einem Aufseher, dem 27-jährigen Asylsuchenden im Gefängnis Crêtelongue Handschellen anzulegen. Kurz darauf stellten die Ordnungshüter fest, dass der Mann nicht mehr atmete.

Für den BFF-Chef gibt es keinen Grund, anders zu handeln

«Es ist nicht das erste Mal, dass ein Asylsuchender die Zwangsausschaffung nicht überlebt», sagt die Berner SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot. In einem Vorstoss im Rat verlangt sie nun explizit eine zusätzliche Untersuchung: «Die Todesursache ist mysteriös.» Der Untersuchung durch die Walliser Behörden traut die Parlamentarierin nicht; darin involviert seien auch Walliser Polizeikräfte - die Polizei überprüfe sich quasi selbst.
Inzwischen hat sich auch der Chef des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF), Jean-Daniel Gerber, zum Vorfall geäussert. Am Rande einer vom BFF initiierten Ausstellung von Schang Hutter bedauerte Gerber den Tod Chukwus. Der Fall stehe symptomatisch für die schlimmstmögliche Auswirkung des Konflikts zwischen rechtsstaatlichem Anspruch und menschlichem Einzelschicksal. Die Wahl der Mittel obliege jedoch den Kantonen, das BFF leiste auf Wunsch bloss Vollzugsunterstützung. Jedes staatliche Handeln, so Gerber, müsse jedoch verhältnismässig sein: «Der Einsatz von Polizeikräften muss in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.» Für den BFF-Chef gibt es aber aus Sicht des Bundes keinen Anlass, anders zu handeln, obwohl bereits Anfang 1999 ein Palästinenser bei einer Zwangsausschaffung gestorben war.
Ähnlich beurteilt wird der Vorfall auch im Wallis. Der Einsatz, sagt die Chefin der Walliser Fremdenpolizei, Françoise Gianadda, sei korrekt gewesen. «Ich wüsste nicht, wo ein Fehler passiert sein könnte», so Gianadda.

Zuvor schon ist ein Palästinenser auf ähnliche Weise umgekommen

Auch die Entsendung von Mitgliedern einer Antiterroreinheit verteidigt die Chefbeamtin: «In solchen Fällen können wir keine Verkehrspolizisten hineinschicken.» Der Asylsuchende habe stets Widerstand gegen eine Ausschaffung angekündigt; ein erster Ausschaffungsversuch sei bereits Wochen zuvor gescheitert. Damals, argumentiert der Anwalt des verstorbenen Ausschaffungshäftlings, habe Chukwu allerdings «nicht gewaltsam gegen seine Ausschaffung protestiert». Vielmehr habe sich der Pilot der Swissair-Maschine geweigert, den Nigerianer an Bord zu nehmen, weil dieser nicht freiwillig nach Lagos zurückkehren wollte. Die Polizei brachte Chukwu daraufhin ins Ausschaffungsgefängnis zurück. Dort hätte man ihn am 7. Mai freilassen müssen. Asylsuchende dürfen nicht länger als neun Monate in Ausschaffungshaft behalten werden. Deshalb wollte ihn die Fremdenpolizei noch vor diesem Termin zurückschaffen.
«Samson Chukwu würde noch leben, wenn die Beamten nach dem Tod des palästinensischen Ausschaffungshäftlings Khaled Abuzarifa ihre Verantwortung anerkannt und daraus die Konsequenzen gezogen hätten», kritisiert Walter Angst, Aktivist der Menschenrechts-Organisation «augenauf».
Nach dem Tode von Abuzarifa wurde beispielsweise in der Schweiz auch das Problem «Plötzlicher Gewahrsamstod» diskutiert. Nach heftigem Kampf können demnach Festgenommene leicht ersticken, weil sie in einer überstreckten Haltung gefesselt würden. In Deutschland, so die Menschenrechts-Organisation, würden Polizeikräfte bereits speziell darauf geschult.

 

© WoZ 2.08.2001

Tod bei Ausschaffung: Gefährliche Bauchlage

Der nigerianische Asylbewerber Samson Chukwu ist erstickt. Fachleute nennen die Todesursache «plötzlichen Gewahrsamstod».

Samson Chukwu, 27 Jahre alt, starb am 1. Mai in seiner Zelle an «positional asphyxia». Dies ist das Resultat der gerichtsmedizinischen Untersuchung zum Todesfall im Walliser Ausschaffungszentrum von Granges. Minutenlang habe sich Chukwu gewehrt, heisst es im Bericht. Dann wurde er von den Polizisten überwältigt. Illustration von Helene Sperandio, WoZ, 2.08.01 Ein Polizist setzte sich auf seinen Oberkörper und fesselte seine Hände auf dem Rücken. Doch unter Stress und nach einer physischen Anstrengung braucht der Körper mehr Sauerstoff, als er in dieser Lage aufnehmen kann. Chukwu bekam nicht mehr genug Luft und erstickte.
Die Position sei als gefährlich bekannt, heisst es im Autopsiebericht. Tatsächlich können in einem Dokument des US-amerikanischen Justizdepartements vom Juni 1995 Anweisungen zur Vermeidung der «positional asphyxia», des plötzlichen Gewahrsamstods, gelesen werden. Die gefährliche Bauchlage müsse vermieden werden, und falls dies nicht möglich sei, müsse «eingehend und andauernd» überwacht werden, ob die Person Atemnot habe, heisst es. Die Menschenrechtsgruppe «augenauf» vermutete wenige Tage nach dem Drama Tod durch Ersticken als wahrscheinlichste Ursache.
Dem Autopsiebericht werden weitere Untersuchungen folgen, kündigte Untersuchungsrichter Jacques de Lavallaz an. Denn nun stellt sich die Frage nach der Verantwortung. Philippe Zimmermann, der Rechtsanwalt der Brüder Chukwus, will wegen fahrlässiger Tötung gegen die beiden Polizisten vorgehen. Die Walliser Polizei will zu dem Ergebnis des Berichtes keine Stellung nehmen. Für Fabienne Bernard, die Präsidentin der Walliser Beratenden Kommission zur Umsetzung der Zwangsmassnahmen, sprengt dieser Todesfall den kantonalen Rahmen. Für sie liegt der Ball nun in Bern. Urs von Arb vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) gibt zurück: Die Ausschaffungen lägen im Zuständigkeitsbereich der Kantone, das BFF könne nur allgemeine Ratschläge erteilen, keine Direktiven erlassen, erklärte er der Zeitung «Le Temps». «augenauf» schliesslich fordert die zuständigen politischen Behörden auf, die Verantwortung für den Todesfall zu übernehmen und alle Zwangsausschaffungen sofort zu sistieren.
Chukwus Tod ist nicht der erste Todesfall bei einer Ausschaffung unter Zwangsmassnahmen. Im März 1999 erstickte der 27-jährige Palästinenser Khaled Abuzarifa am Knebel, der ihn ruhig stellen sollte (siehe WoZ Nr. 26/01). Amnesty international kennt fünf weitere Todesfälle in europäischen Ländern, die zwischen 1993 und 2000 eintraten und von einer übermässigen Einschränkung der Atemwege der Betroffenen begleitet waren. Walter Angst von «augenauf» ist überzeugt, dass die Gefahren des plötzlichen Gewahrsamstodes in der Schweiz längst bekannt sind. Nach den Todesfällen im Ausland und nach dem Erstickungstod von Khaled Abuzarifa sei die Debatte sicher auch in der Schweiz aufgegriffen worden: «Entweder war das Problem bekannt, oder dann müssen die Verantwortlichen als grobfahrlässig bezeichnet werden.»

Zwangsmassnahmen humanisieren?

Laut Nerys Lee, Fachfrau für die Schweiz beim Internationalen Sekretariat von Amnesty international in London, besteht Handlungsbedarf. Die Schweiz solle ihre Polizeimethoden revidieren, einen entsprechenden Massnahmenkatalog erstellen und Trainingskurse für das beauftragte Personal anbieten. Insbesondere sollen Zwangsmassnahmen vermieden werden, die die Atemwege behindern. Die Vergabe von Beruhigungsmitteln müsse mit den Uno-Prinzipien zur Medizinalethik übereinstimmen, Kampfsprays dürften nur im äussersten Notfall angewendet werden. Die Häftlinge müssten respektvoll behandelt, mit Essen und Trinken versorgt werden und die Toilette benutzen können.
Diese Empfehlungen gingen an das Departement Metzler, an das Bundesamt für Flüchtlinge und die zuständigen kantonalen Stellen. Man habe Amnesty versprochen, die Empfehlungen zu berücksichtigen, weiss Dominique Schärer vom Berner Amnesty-Büro. Tatsächlich ist zurzeit eine Projektgruppe von Bund und Kantonen unter dem Namen «Passagier 2» damit beschäftigt, ein «Ausbildungs- und Einsatzkonzept für polizeiliche Begleitpersonen» zu erarbeiten. Es geht um die Vereinheitlichung der Methoden und die Grenzen der Gewaltanwendung. Die Ergebnisse werden für den Monat November erwartet. Bereits heute ist bekannt, dass die Arbeitsgruppe vorschlagen wird, eine speziell ausgebildete Ausschaffungstruppe von rund 70 Polizisten aus verschiedenen Kantonen zu schaffen.
«augenauf» setze sich für durchlässige Grenzen und für die Abschaffung der Zwangsmassnahmen ein, erklärt Walter Angst zu diesen Plänen. Zwangsmassnahmen menschlicher gestalten zu wollen, sei ein Widerspruch in sich. Der «Schaffung von Sondereinheiten auf Bundesebene» steht Angst äusserst skeptisch gegenüber. Dennoch ist «augenauf» nicht prinzipiell gegen gesetzliche Grundlagen. «Sie sind vertretbar, wenn als absolutes Minimum atmungsbehindernde Massnahmen und medizinische Ruhigstellung verboten werden.»

Helen Brügger

 

© Basler Zeitung 4.10.2001

Freispruch für Polizisten

Sitten. SDA. Zwei Polizisten sind vom Untersuchungsrichter des Zentralwallis vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Ein nigerianischer Asylbewerber war am 1. Mai im Gefängnis gestorben. Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung sei nicht gegeben gewesen, begründete Untersuchungsrichter Jacques de Lavallaz sein Urteil. Aufgrund ihrer Ausbildung hätten die Polizisten nicht wissen können, dass der von ihnen angewendete Griff gefährlich sein könne. Der 27-jährige Asylbewerber war wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz festgenommen worden. Die Autopsie ergab, dass er durch Ersticken starb.
Die Familie des Asylbewerbers wird den Fall ans kantonale Strafgericht weiterziehen.

 

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