Überbelegung, zulange Aufenthaltsdauer, unzureichende medizinische Versorgung, fehlende Kinderbetreuung und Schulbesuch sowie schikanöse Behandlung durch Sicherheits- und Betreuungspersonal – das ist der Alltag der Menschen, die im Basler Empfangs- und Verfahrenszentrum um Asyl ersuchen.
Das Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) an der Freiburgerstrasse in Basel direkt neben dem Ausschaffungsgefängnis am Zoll Otterbach heisst niemanden Willkommen, ein Ort für Minderjährige ist es erst recht nicht. Frau P. aus Serbien, den Abschiebebescheid für sich und ihre zwei Kinder schon in der Hand, berichtete augenauf Basel von den unannehmbaren Zuständen in der Einrichtung. Auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) hatte 2012 schon auf Missstände im EVZ Basel hingewiesen.
Überbelegung und zu lange Aufenthaltsdauer
Das EVZ ist derzeit überbelegt, etwa 500 Personen wohnen dort auf engstem Raum, zum Teil in provisorischen Holzbaracken. Es gibt nicht genügend Betten. Wer kein Bett hat, muss auf dem Boden schlafen, berichtet eine Betreuerin.
Maximal 90 Tage dürfen Asylsuchende im EVZ untergebracht werden. Frau P. und ihre 8 und 11 Jahre alten Töchter leben schon seit über fünf Monaten im Zentrum. Erst auf Druck von augenauf Basel sucht nun der Kanton Basel-Stadt nach gesetzlich konformen Lösungen.
Fehlende Kinderbetreuung und Schulbesuch
Während eines 10-tägigen Krankenhausaufenthaltes ihrer Mutter waren die zwei Mädchen im EVZ mehrheitlich auf sich allein gestellt. Eine kindergerechte Betreuung fehlte und der Kinder- und Jugendschutz des Kantons wurde über die spezielle Gefährdungssituation der Kinder nicht informiert. Die Mutter hatte während des Spitalaufenthalts kein Recht, ihre Kinder anzurufen. Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass das Kindswohl im EVZ Basel nicht gewährleistet ist. Auch haben die Kinder keine Möglichkeit, die Schule zu besuchen. Die basalen Angebote – laut Frau P. Malen und ein bisschen Mathematik – sind in keiner Weise ausreichend.
Mangelnde medizinische Versorgung
Eine medizinische Grundversorgung ist alles, was Asylsuchenden in der Schweiz zugestanden wird. Im EVZ Basel ist ein einziger Arzt für die gesundheitlichen Probleme der 500 Insassen zuständig. Er ist an zwei Tagen in der Woche im EVZ. Ihm obliegt auch die Entscheidung, ob eine Person ins Spital verlegt wird oder nicht. Seit Anfang des Jahres arbeitet ausserdem eine Krankenschwester im EVZ, die morgens und abends anwesend ist und sich um die Medikamentenausgabe kümmert. Die Krankenschwester entscheidet ausserdem darüber, ob ein Termin beim Arzt notwendig ist. Auch die Leiterin der Betreuung entscheidet über die Notwendigkeit einer medizinischen Visite beim Arzt. Im Fall der jüngeren Tochter von Frau P., die von einem Mitbewohner im EVZ mit heissem Wasser verbrannt wurde, war ein Spitalbesuch jedoch nicht möglich.
Auch weitere Beispiele demonstrieren, dass die medizinische Betreuung mangelhaft ist und das EVZ auf Kranke und Schwache zu wenig Rücksicht nimmt. Frau P. ist in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand. Sie hatte innerhalb von fünf Monaten zweimal eine schwere Lungenentzündung, leidet an Blutarmut, leidet an einer in Serbien diagnostizierten Angsterkrankung und wiegt akut nur noch 41 kg. Während ihres 5-monatigen Aufenthalts im EVZ hat sie 8 kg abgenommen. Bis Ende Mai musste sie ihre Lungenentzündung mit Antibiotika behandeln. Trotz ihrer Schwäche hatte Frau P. keine Möglichkeit sich im EVZ zu schonen. Die Schlafzimmer werden im EVZ tagsüber abgeschlossen, es gibt keine Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten. Der NKVF-Bericht bemängelt diesen Zustand ebenfalls. Frau P. musste auch während ihrer Lungenentzündung putzen. Diese Situation ist unhaltbar.
Zudem kommt es zur Verletzung der medizinischen Sorgfaltspflicht durch den verantwortlichen Arzt. Es gab Fehldiagnosen, und auch eine psychiatrische Behandlung wird Frau P. nicht gewährt. Die Einsicht in ihre Krankenakten, ausgestellt vom verantwortlichen Arzt des EVZ, wird Frau P. zudem verweigert.
Schikanöse Behandlung
Das Sicherheitspersonal ist verantwortlich für die Kontrolle der Ein- und Ausgänge und der Sanktionen (u.a. Ausgangssperren). Die Sanktionsmacht der Security wird im Heim nicht kontrolliert. Wenn die Insassen nicht pünktlich um 17 Uhr im EVZ eintreffen, bekommen sie vom Security-Personal bis zu drei Tagen Ausgehverbot. Auch Frau P. hat das schon erlebt. Das bedeutet ebenfalls für die Kinder, dass sie im überfüllten Heim eingesperrt bleiben. Schikanös ist auch das Handyverbot für die Heiminsassen.
Mit der Unterstützung von augenauf konnte die auf den 14. April angesetzte Rückreise von Frau P. aufgrund der krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit der Mutter verhindert werden. Wir fordern eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen.
Die Intervention von augenauf Basel hat erste positive Folgen. Die Grüne Partei Basel-Stadt und BastA! haben dem Regierungsrat von Basel-Stadt eine Interpellation betreffend der Unterbringung von Kindern im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) vorgelegt. Der Kanton Basel-Stadt darf nicht dulden, dass im Bundeszentrum vor den Toren seiner Stadt Grundrechte verletzt werden.
Auch in den Medien wird das EVZ aktuell stark kritisiert, gleich drei Artikel veröffentlichte die Tageswoche in den letzten Tagen:
Hilferufe aus dem Asylheim, 12.06.14
Nach TagesWoche-Artikel: BastA! will vom Regierungsrat Antworten, 13.06.14
Eine kranke Serbin kämpft um Asyl, 13.06.14