De-facto-Straflosigkeit für Polizisten: augenauf Bern kritisiert Freispruch

Nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ kam es heute Morgen zu einem Freispruch von zwei Polizisten. Sie waren angeklagt, im September 2009 einen damals 16-jährigen Gambier bei einer polizeilichen Kontrolle massiv verprügelt zu haben. Der 16-jährige erlitt dabei Verletzungen am Orbitaboden (Knochenbruch unter dem Auge), an den Rippen und an der Nase. Nach der Notfallaufnahme musste er drei Tage im Inselspital verbringen. augenauf Bern kritisiert diesen Freispruch, welcher erneut zeigt, dass eine Verurteilung von gewalttätigen Polizisten de facto unmöglich ist.

Der junge Gambier war an besagtem Abend auf der Durchreise nach Freiburg, als er von den beiden Polizisten der Einheit „Krokus“ aufgefordert wurde auf den Posten im Bahnhof mitzukommen. Der 16-jährige kam dieser Forderung nach. Laut den Polizisten habe er auf dem Weg entgegen ihrer Weisung aus einer Pet-Flasche getrunken und sein Mobiltelefon betätigt. Um ihm dieses zu entnehmen, hätten sie einen „Handgelenkgriff“ angewendet und der Jugendliche sei hernach unglücklich auf dem flachen Boden aufgeprallt. Beim 16-jährigen tönt die Geschichte anders: Kaum auf dem Posten angekommen, hätten die Polizisten ihm Handschellen angelegt und ihn verprügelt. Das gerichtsmedizinische Gutachten stützt seine Aussagen. Laut diesem sei es unwahrscheinlich, dass der Orbitaboden-Bruch von einem Aufschlag auf eine glatte Fläche herrühre. Viel wahrscheinlicher seien Faustschläge, Fusstritte oder allenfalls der Sturz auf einen Gegenstand. Beide Polizisten erwähnten mehrfach, der Jugendliche sei auf den flachen Boden geprallt. Ihre nachträgliche Aussage, vielleicht sei er ja auf eine Colaflasche gefallen, ist höchst unglaubwürdig. Die Verletzungen sind nicht wegzureden und das rechtsmedizinische Gutachten kombiniert mit den Aussagen der Beteiligten spricht eine klare Sprache: Die Verletzungen sind auf Schläge durch die Polizisten zurückzuführen.

Der Freispruch weist auf ein grundsätzliches Problem hin. Bei Misshandlungen auf dem Polizeiposten oder in Gefängniszellen sind in der Regel keine unabhängigen Zeugen zugegen. In allfälligen Strafverfahren gegen Polizisten steht daher meist Aussage gegen Aussage. Von den Gerichten wird dabei systematisch die Glaubwürdigkeit der Polizeibeamten höher eingeschätzt als jene der Betroffenen. In der Folge werden angeschuldigte Polizisten fast immer freigesprochen, selbst wenn – wie im aktuellen Fall – rechtsmedizinische Gutachten vorliegen, welche tendenziell die Version der Betroffenen stützen.

augenauf Bern sind zahlreiche weitere Fälle bekannt, in denen dunkelhäutige Personen im Rahmen von Polizeikontrollen und Festnahmen mit unverhältnismässiger Gewaltanwendung konfrontiert waren. Auch am Abend des ersten Prozesstages kam es erneut zu einem Vorfall: Gegen 20 Uhr wurden auf dem Vorplatz der Reitschule  zwei dunkelhäutige Personen von zwei Zivilpolizisten der Einheit „Krokus“ festgenommen. Laut übereinstimmenden Augenzeugenberichten gingen die Polizisten dabei mit unverhältnismässiger Gewaltanwendung vor. So wurde einer der Betroffenen ohne ersichtlichen Grund von den Polizisten mit dem Gesicht gegen die Kante einer Betontreppe geschleudert.

augenauf Bern kritisiert im Zusammenhang mit diesen Vorfällen folgende Punkte: Erstens stehen dunkelhäutige Personen in den Augen zahlreicher Polizisten offenbar unter dem Generalverdacht des Drogenhandels. In zahlreichen Fällen werden Personen einzig auf Grund ihrer Hautfarbe kontrolliert und festgenommen, selbst wenn keinerlei Hinweise auf Drogen- oder andere Delikte vorliegen. Zweitens sind dunkelhäutige Personen im Zusammenhang mit diesem Vorgehen auffallend häufig Opfer von unverhältnismässiger Gewaltanwendung. Ob dabei von den Betroffenen ein Delikt begangen wurde spielt keine Rolle – in jedem Fall gilt das Gebot der Verhältnismässigkeit. Drittens können gewalttätige Polizisten auf faktische Straffreiheit zählen. Werden die entsprechenden Fälle zur Anzeige gebracht, werden die Verfahren in der Regel eingestellt oder führen „mangels Beweisen“ zu einem Freispruch der Polizisten.  

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