Der Fall von Frau G. demonstriert die Unverhältnismäßigkeit der Umsetzung des Ausländerrechts sowie die Verletzung des Kindswohls und des Menschenrechts auf ein gemeinsames Familienleben durch die Schweizer Behörden.
Gesetze bieten in der Schweiz nicht immer einen Schutz vor Willkür, sondern können selbst ungerecht sein, wie die rechtliche Diskriminierung von Nicht-Schweizer_innen zeigt. Rassismus beginnt bei der Unterscheidung in In- und Ausländer_innen, durch die Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Staatsangehörigkeit unterschiedlichen Rechten unterworfen werden und weniger Freiheitsrechte haben. In der Schweiz dient das Ausländerrecht oft dazu, die Grundrechte von Ausländer_innen auszuschalten. Beispiele hierfür sind das Auseinanderreißen von Familien, die Ausschaffungshaft für Sans-Papier, verstärkte Ausweiskontrollen von Menschen mit dunkler Hautfarbe etc. Frau G. steht hierfür stellvertretend.
Nach Entzug des Sorgerechts 2010 wird Frau G. im Januar 2012 auch noch das Aufenthaltsrecht in der Schweiz entzogen und sie wird nach Kenia abgeschoben. Aus Sicht des Kindswohls und des Rechts auf ein gemeinsames Familienleben ist dies unverhältnismäßig. Nicht nur der Rechtsanspruch der Mutter auf Familienleben, sondern auch der Anspruch der Tochter darauf, eine Beziehung zu ihrer Mutter aufzubauen und diese auch leben zu können, wird durch das Einreiseverbot der Mutter, das bis zum 19. Januar 2016 gilt und das gesamte Gebiet der Schengen-Staaten umfasst, verunmöglicht. Mutter und Tochter können realistisch gesehen keine Beziehung führen, wenn die Mutter ohne finanzielle Mittel in Kenia und die Tochter in der Schweiz wohnt. Auch kann Frau G. ihre Tochter nicht mit nach Kenia nehmen, da der leibliche Vater der gemeinsamen Tochter in der Schweiz wohnt. Frau G. muss also die Möglichkeit haben, in der Nähe ihrer Tochter zu leben, ansonsten wird ihr Grundrechtsanspruch auf Führung eines Familienlebens obsolet. Augenauf Basel fordert deshalb eine sofortige Aufhebung des Einreiseverbots.
Das Kindswohl wird in binationalen Ehen oder Ehen zwischen Ausländer_innen in der Schweiz, wenn es um ausländerrechtliche Fragen geht, grundsätzlich zu schwach gewichtet und anderen Kriterien, die im „Interessen der Gesellschaft“ liegen (z.B. bei Schulden und Sozialhilfebezug), nachgeordnet. Im Falle von Frau G. ist dies so, und es gibt zahlreiche weitere Beispiele dafür. Die ausländerrechtlichen Zwangsmaßnahmen sind unserer Ansicht nach unverhältnismäßig und verstoßen gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Neben dem Kindswohl werden auch Rechte der Eltern missachtet oder zu schwach gewichtet, u.a. das Menschenrecht auf ein Familienleben. Diese Missachtung ist eklatant, vor allem in einer Gesellschaft, in der Familienwerte sehr hoch gehalten werden – aber offenbar primär für Schweizerinnen und Schweizer gelten – und ökonomischen Interessen nachgeordnet sind. Hier gilt dasselbe wie beim Kindswohl: die Maßnahmen sind unverhältnismäßig und ein Verstoß gegen ein Menschenrecht.
Die Berliner Morgenpost veröffentlicht die Geschichte von Frau G.: „Das verlorene Kind der Vivianne G.“