Medienmitteilung zur Antwort des Regierungsrates bezüglich der Anti-WEF-Demonstration

Unbefriedigende Antwort des Regierungsrates zum Polizeieinsatz anlässlich der Anti-WEF-Demonstration im Januar 2008 in Bern. Untersuchung durch die Oberaufsichtskommission wichtiger denn je.

Die Menschenrechtsgruppe augenauf Bern und der Verein grundrechte.ch erachten die Antwort des Regierungsrates auf die Interpellation von Corrado Pardini bezüglich des Polizeieinsatzes an der Anti-WEF- Demonstration als äusserst unbefriedigend. 

Mit einer inakzeptablen Beharrlichkeit weicht der Regierungsrat in seiner Antwort den detaillierten Fragen der Interpellation aus oder verbirgt sich hinter allgemeinen Formulierungen, so dass wesentliche Punkte unbeantwortet bleiben. Zudem übernimmt der Regierungsrat weitgehend die Argumentation der Kantonspolizei. So werden beispielsweise die willkürlichen Festnahmen damit begründet, dass die betroffenen Personen „Gegenstände mitführten, die auf die Teilnahme an der unbewilligten Kundgebung schliessen liessen“. Abgesehen davon, dass ein Flyer als Festnahmegrund an sich schon mehr als fragwürdig erscheint, sind augenauf Bern zahlreiche Fälle bekannt, in denen die festgenommenen Personen weder derartige Gegenstände mit sich führten, noch vorhatten, an der Kundgebung teilzunehmen. 

Offensichtlich ist der Regierungsrat in keiner Weise an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem fraglichen Polizeieinsatz interessiert. Es scheint einzig darum zu gehen, den Einsatz mit allen Mitteln zu rechtfertigen. Nach der von verschiedenen Seiten geäusserten massiven Kritik noch immer von einem „erfolgreichen Einsatz“ zu sprechen, erscheint gerade gegenüber den grundlos festgenommenen Personen als äusserst anmassend.

Dazu passt auch, dass der Regierungsrat den Umstand herunterspielt, dass sich zahlreiche Personen bei ihrer Kontrolle ohne ersichtlichen Grund vollständig entkleiden mussten. So schreibt der Regierungsrat, dass es sich dabei höchstens um „notwendige Einzelfälle“ gehandelt habe, „wenn die Massnahme überhaupt angewandt wurde.“ Es sind jedoch zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Personen diese erniedrigende Massnahme über sich ergehen lassen mussten, ohne dass sie sich „aggressiv verhalten“ oder „gefährliche Gegenstände“ mit sich geführt haben.

augenauf Bern und grundrechte.ch haben sich intensiv mit den Polizeieinsätzen vom 19. und 26. Januar befasst und diesbezüglich bei der Budget und Aufsichtskommission (BAK) des Stadtrates sowie bei der Oberaufsichtskommission (OAK) des Grossen Rates im Februar einen Antrag auf Untersuchung eingereicht.  Die BAK äusserte sich mit ihrem Schreiben vom 8. März 2008 kritisch zum Polizeieinsatz. Nach einer Befragung von Manuel Willi, Chef Regionalpolizei Bern, und Stefan Hügli als verantwortliches Gemeinderatsmitglied, stellt die BAK in dem Schreiben fest, dass ihre Empfehlungen vom Juni 2005 „kaum befolgt wurden“ und hält ausdrücklich fest, dass diese Empfehlungen „nach wie vor Gültigkeit haben und vom Gemeinderat unbedingt, namentlich gegenüber der Kantonspolizei, durchzusetzen sind“.  Die OAK ihrerseits bestätigte zwar am 26. Februar den Eingang des Antrages auf Untersuchung und stellte eine Antwort „zu gegebener Zeit“ in Aussicht. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch weder bei augenauf Bern noch bei grundrechte.ch ein entsprechendes Schreiben eingetroffen.  Gerade angesichts der unbefriedigenden Antwort des Regierungsrates erachten es augenauf Bern und grundrechte.ch nun als eminent wichtig, dass die OAK die fraglichen Einsätze eingehend untersucht und sich ernsthaft mit den zahlreichen Kritikpunkten auseinander setzt. 

Es hat sich in zahlreichen Fällen gezeigt, wie schwierig es ist, auf dem juristischen Weg gegen Fehlverhalten der Polizei vorzugehen. In den allermeisten Fällen werden entsprechende Verfahren eingestellt oder enden in einem Freispruch der angeschuldigten PolizistInnen. Umso wichtiger wäre es daher, dass die verantwortlichen politischen Instanzen ihre Aufsichtsfunktion wahrnehmen und sich kritisch und ernsthaft mit dem Verhalten der Polizei auseinandersetzen.

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Kontakt:    Philipp Meyer, augenauf Bern: 077 413 56 10
                 Catherine Weber, grundrechte.ch: 031 312 40 30