Bulletin Nr. 32; September 2001
Rubrik Kurzmeldungen
Auge drauf
Normale Zwangsausschaffung
Während des Kosovo-Krieges flüchten A. H. und seine Partnerin B. S. in die Schweiz, wo beide Verwandte
haben. A. H.s Vater hat hier 20 Jahre lang gearbeitet. Sie reichen am 31. Mai 1999 ein Asylgesuch ein.
A. H. arbeitet bei einer Gartenbaufirma. B. S. wird schwanger und gebärt im Oktober 2000 Zwillinge.
Das Asylgesuch der jungen Familie wird durch alle Instanzen abgewiesen. A. H., der alle Termine bei der
Zürcher Fremdenpolizei gewissenhaft einhält, macht dort am 25. April 2001 die folgenschwere Äusserung:
«Ich gehe nicht freiwillig.» Jetzt kommt es zur Zwangsausschaffung: Am 14. Mai, morgens um 4 Uhr, fährt bei
der Familie ein Kastenwagen der Polizei vor und holt Mann, Frau und Zwillinge zur Zwangsausschaffung ab.
Sie dürfen gerade mal 20 Kilo Reisegepäck mitnehmen für ihr neues Leben im Kosovo, wo die Ruinen ihres
abgebrannten Hauses stehen.
Neuer Name - alter Stil
Die Fremdenpolizei des Kantons Zürich bezieht am 1. September nicht nur neue Räumlichkeiten, sie erhält
auch einen neuen, dem Zeitgeist entsprechenden Namen. Vom dritten Quartal 2001 an heisst die Fremdenpolizei
«Migrationsamt des Kantons Zürich». Damit will die Frepo auch gegen aussen ein Zeichen für ihre «umfassende
Neuorientierung» setzen. Zürich folgt damit Basel. Dort hat sich die Fremdenpolizei - nach einer
«umfassenden Umstrukturierung» - per 1. Januar 1997 in «Einwohnerdienste Basel-Stadt, Abteilung
Internationale Kundschaft» umbenannt. Nach fast fünf Jahren lässt sich lapidar feststellen: Von «Der Kunde
ist König» kann keine Rede sein - die Schlange stehenden KundInnen werden wie ehedem als unerwünschte
AusländerInnen behandelt.
Demo gegen Polizeibrutalität
Ein Monat nach dem Tod von Carlo Giuliani in Genua fand am 20. August ein internationaler Aktionstag statt.
In Basel demonstrierten über 500 Menschen in Erinnerung an Carlo gegen die Brutalität der Polizei während
des G8-Gipfels und die Globalisierung, aber auch für die Solidarität mit den Verhafteten und Verurteilten
von Genua und Göteborg. Der Demozug führte vom Claraplatz quer durch die Innenstadt, am Bankenplatz und am
italienischen Konsulat vorbei wieder zurück zum Claraplatz.
Die Basler Polizei war präsent, hielt sich während der Demo aber im Hintergrund, auch als ein paar Scheiben
der UBS am Bankenplatz zu Bruch gingen. Nach der Demo blieben einige hundert Leute noch auf dem Claraplatz,
was den Tramverkehr zum Erliegen brachte und die Polizei dazu veranlasste, doch noch zu ihrer Übung zu
kommen. Mit Gummi schossen die Polizisten auf die auf dem Tramgleis Sitzenden und jagten sie weg. Ab diesem
Zeitpunkt wurde in der Stadt wild drauflos verhaftet - wer so aussah, als ob er oder sie eventuell an der
Demo teilgenommen hatte, wurde eingepackt. Insgesamt kam es zu etwa vierzig Verhaftungen. Punks erzählten
von Schlägen, und ein paar Jugendliche hielten sich die halbe Nacht in der Stadt versteckt, bevor sie sich
nach Hause trauten. Dafür, dass die Polizei gegenüber «20 Minuten» von einer «friedlichen Demo» sprach, war
ihr eigenes Verhalten mit Gummischrot und Massenverhaftung doch eher unfriedlich.
Grenzenlos rassistisch
Ein junges Paar mit Kleinkind, das am 20. August im Nachtzug von Deutschland nach Basel reiste, ist von
zwei Schweizer Grenzpolizisten rassistisch beschimpft und tätlich angegriffen worden. Die beiden Beamten
haben ohne Anlass begonnen, das Paar anzugreifen. Einer der beiden packte die Frau am Hals und warf sie
gegen ein Abteilfenster, den Mann zerrte er ins benachbarte Abteil, warf ihn zu Boden und beschimpfte ihn
als «Scheissausländer» und «Arsch», während der zweite zuschaute. Gegen die Beamten ist Strafanzeige
eingereicht worden. Ein anwesender Geschäftsmann, der alles mitgekriegt hat, ist bereit, als Zeuge vor
Gericht auszusagen. (Quelle: «Basler Zeitung»)
Fotografieren verboten
Die Gewerkschaft «comedia» schreibt in einer Medienmitteilung, eine Fotografin, Anwohnerin im Zürcher
Stadtkreis 3, habe am Sonntag, den 19. August, beobachtet, wie zwei Polizeibeamte einen bereits gefesselten
Mann misshandelten. Die Frau schiesst mehrere Fotos von der Situation. Ein Polizist bemerkt dies, lässt von
seinem Opfer ab und verlangt von der Fotografin die Herausgabe des Films. «Polizisten darf man nicht
fotografieren», ist die Begründung. Einer Nachbarin, die sich über diese Art von Willkür beschwert, droht
der Beamte, «sie auf die Wache mitzunehmen». Die Fotografin händigt schliesslich den Film aus. Als sich
«comedia» bei der Pressestelle der Stadtpolizei nach dem Verbleib des Films erkundigt, heisst es, der Film
sei beim Entwickeln «unglücklicherweise» zerstört worden. «comedia» verurteilt eine derartige polizeiliche
Willür. Die Gewerkschaft hält fest, dass Polizisten sehr wohl während ihrer Dienstausübung fotografiert
werden dürfen. Vorgesetzte Stellen unterliessen es offenbar, die Beamten im korrekten Umgang mit
Medienleuten zu schulen.
Die Fotografin bereitet jetzt eine Schadenersatzklage gegen die Stadt Zürich vor. «comedia» hat derweil die
Staats- und Bezirksanwaltschaft über den Vorfall orientiert. Sie verlangt die Einleitung einer
Strafuntersuchung gegen die zuständigen Polizeibeamten wegen Amtsmissbrauch.
Schwangere im Spital abgewiesen
Das «Gatekeeping-System» für AsylbewerberInnen im Kanton Zürich zeigt Wirkung. Hochschwanger kam A. K. aus
Sierra Leone Ende Juli im Flughafen Zürich-Kloten an. Weil die Beamten hofften, die Frau nach Senegal
zurückschaffen zu können, wurde ihr die Einreise in die Schweiz verweigert. In Handschellen brachte die
Polizei die auf einen Entscheid über ihre Rückschaffung Wartende in die Zürcher Frauenklinik zum ersten
Kontrolluntersuch in der Schweiz. Dort gab man der Frau, die in wenigen Wochen gebären soll, einen neuen
Kontrolltermin.
Als die Behörden der Flüchtlingsfrau doch noch die Einreise in die Schweiz und ein ordentliches
Asylverfahren zugestehen mussten, kam A. K. ins Durchgangszentrum Adliswil. Von dort aus machte sie sich -
wie mit dem Spital vereinbart - auf, um ihren zweiten Arzttermin in der Frauenklinik wahrzunehmen. Bei
diesem Schritt machten A. K. und ihre BetreuerInnen in Adliswil, die ihr eine Fahrgelegenheit organisiert
hatten, die Rechnung jedoch ohne die Gatekeeper. Als Asylbewerberin wurde sie im Unispital nicht mehr
behandelt. Ohne ein Papier des Asylarztes der Gemeinde Adliswil gibt es im Spital keinen
Schwangerschaftsuntersuch mehr. Zürich probiert als Pilotkanton den beschränkten Zugang von Flüchtlingen
zum Gesundheitswesen aus, der nach der Asylgesetzrevision zum helvetischen Standard werden soll. A. K.
musste - ohne Kontrolluntersuchung - nach Adliswil zurückkehren. Als Gefangene der Flughafenpolizei hatte
man sie noch im Spital behandelt...
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