"Liebe Leute hinter den Mauern, liebe Leute hier draussen.
Wieder einmal stehen wir vor dem Ausschaffungsgefängnis. Heute um unsere direkte Solidarität mit allen Inhaftierten zu zeigen..."

"Liebe Leute hinter den Mauern, liebe Leute hier draussen.

Wieder einmal stehen wir vor dem Ausschaffungsgefängnis. Heute um unsere direkte Solidarität mit allen Inhaftierten zu zeigen.

Aber auch um grundsätzlich einmal mehr die ganze behördliche Maschinerie von Ausgrenzung, Isolierung, Zermürbung und Rassismus aufzuzeigen, zu entlarven und zu bekämpfen.

Das ganze Regelwerk, beginnt nicht erst mit der Ausschaffungshaft und endet für die Leute auch nicht hier. Dieser Ausschaffungsknast, wie alle Ausschaffungsknäste, ist eine Station in einem globalen, rassistischen System und zeigt auf, wie die westliche Welt mit wirtschaftlich schlecht verwertbarer Migration umgeht.

Dieses System streckt seine Fühler bis weit in die Herkunftsländer, der Leute hinter diesen Mauern aus. Da werden zum Beispiel Anti-Werbekampagnen für europäische Länder betrieben, die bezwecken sollen, dass sich Menschen gar nicht erst auf den Weg nach Europa machen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben soll schon im Herkunftsland erstickt werden.

Wer doch aufbricht, ist meist mit sehr beschwerlichen, gefährlichen und teuren Fluchtwegen konfrontiert, welche jährlich tausende von Toten fordern.

An den Aussengrenzen von Europa angekommen, stellen sich ihnen weitere Hindernisse in den Weg. Die Grenzen sind für die Leute auf der Flucht kaum passierbar, gut kontrolliert und fast hermetisch abgeriegelt durch ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem der Frontex und der EU Staaten. Schliesslich hat kein europäisches Land Interessen daran, Leute, welche keine besonderen ökonomischen Vorteile mit sich bringen, aufzunehmen. Deshalb werden sie in Auffanglagern z.B. in Libyen zurückgehalten, landen in Lampedusa auf den Kanarischen Inslen oder in einem Flüchtlingslager in Griechenland, von wo sie oft direkt wieder zurückgeschafft werden oder unter miserabelsten Bedingungen warten, warten und nochmals warten. Wer die Möglichkeit hat weiter zu kommen, stellt in einem europäischen Land einen Asylantrag oder muss untertauchen.

Im ganzen Schengener Raum kann nur ein Asylverfahren durchgeführt werden, und zwar in jenem Staat, der von den Flüchtlingen zuerst betreten wurde, und nicht etwa da, wo die Leute hin möchten. Dies wird mit Hilfe umfassender Polizeikooperationen und einem gemeinsamen Kontrollsystem, das sogenannte Schengener Informationssystem (SIS) durchgesetzt.

Aber auch wenn der Asylantrag gestellt ist, hat die Odyssee noch kein Ende. Nun droht den betroffenen Menschen die juristische und bürokratische Willkür der Behörden. Schreibtischtäter setzen pflichtbewusst rassistische und menschenverachtende Gesetze und Anordnungen um. Sie vergessen, dass sie es mit Menschen zu tun haben. Sie sind alleinig darum bemüht, die Kosten möglichst tief zu halten, die die PolitikerInnen vorgegeben haben. Den ein sicheres Leben in Europa hat schliesslich seinen Preis.

Für diejenigen, die ein Asylgesuch stellen, rattern nun die Maschinen der Behörde zum Teil sehr schnell oder eben auch ganz langsam – aber selten zum Vorteil der betroffenen Leute.

In der Schweiz z.B. wird auf Asylgesuche reihenweise gar nicht Eingetreten - d.h. die Asylgründe werden gar nicht erst geprüft oder die Leute müssen wieder sehr lange auf ihren Asylentscheid warten. Das führt in einigen Fällen dazu, dass Menschen die schon seit Jahren hier leben plötzlich einen negativen Asylentscheid erhalten und ausreisen sollen.

Wer sich entscheidet auch ohne gültige Aufenthaltspapiere in der Schweiz zu bleiben oder gar keine Möglichkeiten hat aus- oder weiterzureisen, wird in so genannte Notunterkünfte gesteckt und erhält einen gewissen Minimalbetrag vom Sozialamt um zu überleben. In Zürich sind das z.B. 6-mal die Woche einen 10 Franken-Gutschein der Migros.

Denn verhungern und erfrieren sollen die Leute ja nicht gerade auf den Schweizerstrassen – das wäre schwierig zu erklären!

Durch ein generelles Arbeits- und Beschäftigungsverbot und die Platzierung in meist abgelegenen Notunterkünften, werden die betroffenen Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und stigmatisiert - eine weitere Taktik um Menschen zu entmutigen und ihren Willen zu brechen.

Die betroffenen Leute sind der Willkür und dem strukturellen Rassismus der Behörden ausgesetzt. Einige von ihnen müssen im Kanton Zürich z.B. alle sieben Tage zum Migrationsamt und werden wöchentlich einer neuen Notunterkunft zugewiesen. Andere hören nie etwas von den Behörden. Bei Personenkontrollen kommt nicht selten vor, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe eher kontrolliert werden als „europäisch-aussehende“, wer dabei verhaftet wird, wird manchmal nach 3 Tagen wieder freigelassen, manchmal wegen illegalem Aufenthalt verurteilt oder in Ausschaffungshaft gesteckt. Es kommt aber auch vor, dass die Polizei die Leute in den Notunterkünften direkt oder bei einem Termin auf dem Migrationsamt festnimmt und in Haft setzt.

Die Ausschaffungshaft kann in der Schweiz 18 Monate dauern, danach können noch 6 Monate Durchsetzungshaft draufgepackt werden – somit ist es möglich, Menschen bis zu zwei Jahren in dieser Administativhaft zu behalten, sie noch mehr zu isolieren, zu zermürben und ihren Willen möglichst endgültig zu brechen. Wer dieses Horrorszenarium nicht ertragen kann, und durch den Druck und die Androhung einer Zwangsausschaffung seiner Ausschaffung zustimmt, wird unter „freiwillig Ausgereist“ abgebucht. Wer sich gegen seine Ausschaffung wehrt, wird, falls die Behörden die nötigen Reisedokumente auftreiben können, auch mit Gewalt ausgeschafft.

Was mit den ausgeschafften Leuten nachher geschieht, interessiert die verantwortlichen Stellen nicht, denn sie haben ihre Arbeit gemacht, menschenverachtende Gesetze eingehalten und die Schweiz von unliebsamen Personen befreit.

Es ist eine grenzenlose Arroganz der westlichen Industrienationen, mit anderen Teilen der Welt nur so viel zu tun haben zu wollen, wie es den Gewinn und den eigenen Nutzen steigert. Mit den Folgen des internationalen Handels, der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, der Unterdrückung und Gewalt will man nichts zu tun haben.

Es ist unabdingbar, sich gegen diese Systematik zur Wehr zu setzen und Widerstand zu leisten, genau so wichtig ist es auch direkte Solidarität mit den einzelnen betroffenen Menschen zu zeigen."

 

Ein Beitrag der Gruppe augenauf Zürich