Worte zum A.R.Tag: Wegweisungen | |||||||||
Wie man Randständige vertreibt ... Wegweisungen, Ein- und Ausgrenzungen, Rayonverbote usw. gegenüber AusländerInnen ohne Niederlassungsbewilligung sind rechtlich durch das Ausländerrecht (ANAG) abgestützt und werden - speziell in den Städten - auch gerne und oft verfügt (siehe «Ein- & Ausgrenzungen in Basel»). |
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Rechtliches Gewürge | |||||
Etwas schwieriger wird es, wenn unangepasste, «lästige» Einheimische aus dem Stadtbild eliminiert werden sollen. Die landläufigen Methoden reichen von einfachem Wegschicken (ohne Begründung und Rechtsgrundlage), bis hin zu den seltsamsten Konstrukten, welche eine Wegweisung legitimieren sollten: «Erregung öffentlichen Ärgernisses», «Gefährdung der öffentlichen Sicherheit», «Nichtbefolgen einer polizeilichen / behördlichen Anordnung» bzw. «Diensterschwerung», «Verkehrs-hemmende Ansammlungen» u.s.w. sind die verbreitetsten Vorwände, mit welchen unliebsame Personen weggeschickt werden. Oder man stresst sie einfach konstant, indem spezifisches (Fehl-)Verhalten pingeligst geahndet wird (z.B. Kiffen, Trunkenheit, Ruhestörung, Betteln, Verteilen von Drucksachen, usw.).
Einige Polizeikorps und deren (ordnungs-)politische Hinterleute wollen sich jedoch nicht mit rechtsstaatlich sauber definierten Vorgaben zufrieden geben, sich nicht auf polizeiliche «Kreativität» und wacklige Rechtsgrundlagen-Konstrukte verlassen und streben eine im Sinne der Repression einfache, breit und schon auf Verdacht hin anwendbare Gesetzesklausel an. Den Anfang machte der Kanton Bern mit seiner «Lex Wasserfallen», die Städte Winterthur und St. Gallen folgten mit dem exakt gleichen Wortlaut:
Die Schwammigkeit der Umschreibung ist die Legalisierung der Willkür. «Begründeter Verdacht» heisst in der Praxis nichts anderes, als dass die beteiligten PolizistInnen einen Glauben, eine Vermutung, ein Vorurteil vorzuschieben haben und die Möglichkeit, «andere», der «gleichen Ansammlung zuzurechnende» Personen ebenfalls wegweisen zu können, bedeutet, dass jedeR betroffen sein kann, welcheR sich auch nur schon in der Nähe randständiger Zielpersonen aufhält. (Vergleiche: Wegweisungs-Artikel im Wortlaut) |
Die Praxis in den Städten (Stand Frühjahr 2005) | ||
Stadt Bern
Der am 8. Juni 1997 vom Volk abgesegnete Wegweisungsartikel 29 im kantonalen Polizeigesetz wird mit unterschiedlicher Intensität vornehmlich gegen Obdachlose und Suchtkranke angewendet. Nach anfänglich rigoroser Umsetzung (2000 wurden einmal innert 14 Tagen 155 Wegweisungen ausgesprochen!), beginnt sich nun allmählich die Einsicht durchzusetzen, dass Probleme durch das Verjagen von Menschen nicht gelöst werden können. Doch noch immer ist die Zahl hoch: 2004 wurden 560 Wegweisungen verfügt, sowie 1035 Anzeigen gegen Randständige, welche sich nicht an vertreiben liessen, erstattet. Letztendlich ein teurer und unsinniger Leerlauf. Heftige Proteste seitens Gassenarbeit und kirchlicher Kreise und Rekurse halten das Thema warm. Inzwischen musste die Praxis geändert werden, so müssen die Verfügungen heute differenzierter begründet werden und die maximale Dauer einer Wegweisung wurde von zwölf auf drei Monate reduziert. Selbst im bürgerlichen Lager fällt die Bilanz zu 8 Jahren Wegweisungs-Artikel ernüchternd aus. In Zukunft soll wieder vermehrt auf soziale Intervention gesetzt werden (Aufsuchen der Randständigen vor Ort, mehr Dialog mit den Betroffenen). Die Städte Biel und Thun Der Wegweisungsartikel wird vornehmlich gegen Drogenabhängige eingesetzt. Die Meinungen über Sinn und Unsinn dieser Massnahme sind geteilt. Die Erkenntnis, dass jeder Weggewiesene irgendwo anders wieder auftaucht, wurde auch hier gemacht. Die Stadt St. Gallen In St. Gallen steht - beinahe pünktlich zum Anti-Repressions-Tag - die Abstimmung zu einer Revision des Polizeireglementes an. Erfahrungen mit dem Artikel 4b liegen noch keine vor und vor den eher schlechten Erfahrungen, welche Bern gemacht hat, verschliesst die Repressions-Lobby Augen und Ohren. In der aktuell gelaufenen Debatte fiel auf, dass die BefürworterInnen ausschliesslich mit Beispielen operierten, welche bereits durch bestehende Verordnungen und Gesetze hätten geahndet werden können. Sprach man sie auf die wesentliche Neuerung - das präventive Wegweisen auf Verdacht - an, dann bestand die Antwort auschliesslich aus Vertrauensvoten zugunsten der Polizei (dem folgten 2/3 der Stimmenden). Die Stadt Winterthur Seit dem 1. Sept. 2004 kennt auch Winterthur einen Wegweisungsartikel. Angewendet wurde er bislang einmal, als 28 Personen, welche ohne Bewilligung gegen die SVP demonstrieren wollten, weggewiesen wurden. Die Stadt Zürich Neidisch blicken PolizeiexponentInnen und rechtspolitische Hardliner nach Bern. In der Diskussion über einen Wegweisungsartikel konnten sie sich bislang nicht durchsetzen - die Vorlage wurde vom Stadtrat schon zum zweiten Mal zurückgestellt. Nachtrag: Die Gemeinde Davos Am 7. Juni 2005, in der ersten Sitzung nach der St. Galler Abstimmung segnete der Kleine Landrat den Entwurf für ein neues «Landschaftsgesetz über öffentliche Ruhe und Ordnung» ab und schickte ihn 3 Tage später in die Vernehmlassung. Artikel 5 (Überwachung) und Artikel 6 (Wegweisung) entsprechen bis auf's letzte i-Tüpfelchen dem Vorbild aus St. Gallen! |
Weitere Texte & Fallbeispiele | ||||||||||||||||||||||||||||
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