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FCB-Fans im Altstetter Polizeikessel
Was sich abgespielt hat ...

Unter dem Vorwand, Ausschreitungen von Fussballfans präventiv zu verhindern, nimmt die Zürcher Polizei den Grossteil der mit einem Extrazug angereisten MatchbesucherInnen fest. Vom polizeilichen Zwang der Wahl des Zuges, über die völlig unverhältnismässige Verhaftungsaktion bis hin zu den jede Rechtsstaatlichkeit verspottenden Arretierungsmethoden läuft vieles schief...

 
 

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Basel SBB

Die erste Nötigung des Tages erlebten die FCB-Fans bereits im Basler Bahnhof: wer den regulären Zug nach Zürich nehmen wollte, wurde von der Polizei daran gehindert. Dutzendweise standen Kantonspolizisten - teils im Krawall-Outfit, teils in Zivil - auf dem Perron, flankierten die Treppenabgänge und «komplimentierten» alle, welche sich durch rotblaue Insignien als Fussballfans zu erkennen gaben, sowie deren Begleitpersonen zum Extrazug. (Gemäss Polizeisprecher sei dies auf ein Unterstützungsgesuch der Bahnpolizei erfolgt, angeblich habe man keine Ahnung davon gehabt, was die Fans in Zürich erwartete).

Nichts gegen Extrazüge ... aber wer schon ein Heidengeld für die Fahrkarte ausgibt, soll auch die freie Wahl der Zugsverbindung haben. Der Grund für diese erzwungene Fan-Zusammenführung lag sicherlich nicht in einer Erhöhung des Fun-Faktors, sondern hatte von Anfang an den Sinn, die pauschal als potenziell gewalttätig eingestuften FussbalfreundInnen jeglichen Alters unter Kontrolle zu haben.


 
 
Unterwegs

Der Zug war mit rund 650 Personen mehr als gut besetzt. Bahnpolizisten postierten sich in den Abteils und gebärdeten sich als überhebliche Hausherren: Fans wurde verboten, sich frei im Zug zu bewegen. Für Schikanen-gestählte «Hardcore-Fans» kein Grund, sich die Laune verderben zu lassen. Manche Gelegenheits-Matchbesuchende fühlten sich jedoch eher wie in einem Gefangenentransport.

 
 
Empfang in Altstetten

Ein Vorteil des Extrazugs besteht sicherlich darin, dass den Fans der Umweg über den Hauptbahnhof erspart bleibt. Doch dieser Extrazug entpuppte sich als Falle:
Das Empfangskomitee, welches die Reisenden im Vorortbahnhof Altstetten erwartete, verhiess nichts Gutes: Polizeigrenadiere mit Gas/Wasser-Sprühgeräten und Gummigeschoss-Karabinern im Anschlag säumten den Perron, riegelten alle Ausgänge ab, mobile Gitterzäune verstärkten den Eindruck eines Kessels zusätzlich. Ein Anblick, von welchem sich eine Handvoll Spontis so provoziert fühlte, dass die eine oder andere Flasche oder Dose aus den Fenstern flog.

Das Riesenaufgebot an PolizistInnen in Kampfmontur wurde später von der Polizeiführung damit begründet, dass Basler Polizei und Bahnpolizei gemeldet hätten, dass sich «dutzende Gewaltbereiter» im Zug befunden hätten. An einer Pressekonferenz heisst es sogar, dass gemäss Basler Polizei «die Mehrheit» der Passagiere dem «gewaltbereiten Fan-Kern» zuzuordnen gewesen seien. Gegenüber dem «Tagi» behauptete die Pressesprecherin, dass im Zug mitreisende Zivilpolizisten «massive Sachbeschädigungen» gemeldet hätten. Dem widersprechen die Reisenden, vom Fanbeauftragten bis zum SBB-Zugbegleiter mit Nachdruck: die Fahrt sei ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen.

Als der Zug anhielt, wurden die Passagiere aufgefordert, auszusteigen und sich kontrollieren zu lassen. Unmut kam auf, Sprüche fielen, einige Bierdosen flogen. Sofort reagierten die polizeilichen Kampftruppen mit Tränengas und Gummischrot. Die eingekesselten, fluchtunfähigen Fans - darunter viele Frauen und Kinder - heulten und husteten (man erinnere sich der immer wieder gehörten Voten der Befürworter von Tränengas und Gummigeschossen: es handle sich hierbei um «Distanzwaffen», welche nie in geschlossenen Räumen oder gegen fluchtunfähige Personen angewendet würden...).

Insgesamt 427 von rund 650 Personen wurden vorläufig festgenommen. Nur Kinder, als seriös eingestufte Frauen und ältere Leute - im Idealfall komplette Familien - durften sich nach oberlächlicher Kontrolle in Richtung Hardturm-Stadion absetzen.

Allen andern wurden die Hände mit eng zugezogenen Kabelbindern auf den Rücken geschnürt, die Taschen geleert, die Effekten in einem Plastiksack um den Hals gehängt. Menschen und Plastiksäcke wurden mit wasserfestem Stift wie Vieh markiert,- B wie Basel und dahinter eine Laufnummer von 1 bis 427.

 
Warten auf die Kontrolle

So generalstabsmässig die Festnahme der 427 potenziellen «Hooligans» (darunter 32 Jugendliche unter 15 Jahren) geplant war, so überfordert zeigten sich die Behörden im späteren Verlauf. Da der Bahnhof «aus Sicherheitsgründen» möglichst schnell geräumt werden musste, wurden die verschnürten Fans zwecks «Befragung» und «Deanonymisierung» in vergitterten Gefangenentransportern zur Polizeikaserne verfrachtet. Dort hiess es erst einmal warten. Egal, ob die Augen noch vom Gas tränten, egal ob man kotzen musste, egal ob die Nase blutete, egal ob die Blase drückte - bei bissiger Kälte mussten die Festgenommenen mit zusammengebundenen Händen im Hof der Kaserne ausharren (manche stundenlang,- die letzten bis 22:30 Uhr!), bis sie endlich zum Verhör durften. Wer höflich darum bat, die Toilette aufsuchen zu dürfen, erhielt die barsche Empfehlung, in die Hosen zu pissen. Einige folgten diesem Rat, andere halfen sich gegenseitig beim Pinkeln.

 
Verhör

Die Verhöre gestalteten sich kurz und irrelevant: zu interessieren schien nur, warum man den Extrazug genommen hatte und ob man oft an Auswärtsspiele gehe. Die den Festgenommenen eröffneten Vorwürfe waren dafür umso gewichtiger: Beteiligung an einer unbewilligten Demonstration (??!), Gewalt und Drohung gegen Beamte, Landfriedensbruch usw. - obwohl die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen nichts anderes gemacht hatte, als den empfohlenen Extrazug zu nehmen und ansonsten weder als ausfallend noch als gewalttätig in Erscheinung getreten war. Und wie man ein gemeinsames Pilgern zu einem Fussballspiel als «Demonstration» einstufen kann, bleibt wohl ein Geheimnis der Zürcher Polizei ...

Nebst den Verhören wurden die Festgenommenen noch fotographiert und durchsucht - und zwischen den einzelnen Stationen des Erniedrigungsparcours in eine Zelle gesperrt.

Bis auf eine Person, welche wegen «Gewalt und Drohung gegen Beamte» in Haft blieb, wurden alle nach mehr oder weniger langer Zwischenlagerung in einer Zelle freigelassen,- die letzten um 02:15 Uhr. Die meisten verpassten das Spiel, viele auch den letzten Zug nach Basel.

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