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FCB-Fans im Altstetter Polizeikessel
Betroffene berichten

Viele unbescholtene, friedliche FussballanhängerInnen machten an diesem Sonntag zum ersten Mal Bekanntschaft mit Polizei-Praktiken, welche sie bislang nur aus Action-Spielfilmen kannten. Dementsprechend ist das Entsetzen gross, was sich auch in zahllosen Leserbriefen in der Presse niederschlägt. Hier einige Beispiele:

 
 

 Übersicht

 Was geschah

 Propaganda

 Betroffenheit

 Fan-Reaktionen

 Folgen

 Medien

 
Empfang

[...] «man wurde von der Polizei gedrängt, auszusteigen und sass dann sozusagen in der Falle. Überall Polizei, grosse mobile Zäune und Gummischrot und Pfeffersprays. Nachdem meine Schwester heulend vor Angst aus der Barrikade fliehen konnte, wurde ich - obwohl ich mehrmals beteuerte, ich sei ihr Bruder und wolle bei ihr sein - nicht zu ihr gelassen. Ich wurde wie ein Schwerverbrecher an den Schultern gepackt, sämtlicher Gegenstände entledigt und mit Kabelbinder gefesselt. Ich dachte, ich bin im falschen Film! Geschlagene fünf Stunden wartete ich in der überfüllten Zelle. Dann wurde ich verhört, und im Protokoll stand: "Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration"»

 
   
Festnahme

«Eine vermummte Person führt mich ab. Ich muss alles, was ich dabei habe, in einen Plastiksack stecken (2 Fanschals, Portemonnaie, Hausschlüssel, Tramabo, Handy), ich werde kontrolliert, die Hände werden mir mit Kabelbinder zusammengebunden, der Plastiksack wird mir um den Hals gehänggt und ich lande mit 5 anderen Fans in einem Kastenwagen.
Am Polizeiposten angekommen, werden wir mit der Begrüssung "Wer sich von den Kabelbindern löst, darf auf dem Posten übernachten." begrüsst. Wir werden in einen Gang befördert, wo ca. 100 Fans vor uns stehen und darauf warten, dass man sie ins Gebäude lässt. Möglichkeiten zu essen, zu trinken oder auf die Toilette zu gehen: Nein!
Nach fast 4 Stunden Wartezeit in der Kälte, mit zusammengebundenen Händen und einem Plastiksack um den Hals, darf ich endlich ins Gebäude gehen und werde von den Kabelbindern befreit. Ich spüre meine Hände nicht mehr, und die Schultern und der Nacken schmerzen. Ich werd nochmals kontrolliert, Fotos geschossen, der Plastiksack wird mir weggenommen, ich bekomme eine Nummer auf die Hand geschrieben und ich werde in eine Zelle gesperrt, wo bereits schon ca. 80 Fans drinsitzen, darunter Familienväter und Minderjährige. Es besteht nun die Möglichkeit, die Toilette zu benutzen und Wasser zu trinken. Die Zelle fühlt sich immer mehr. Zwischendurch kommt ein Polizist vor die Zelle und fragt ob wir einen schönen Sonntag gehabt haben.»

 
   

Eingekesselte erzählten der NZZ von zahlreichen Leuten in Panik, von weinenden und blutenden Leuten. Weil die Platzverhältnisse im Bahnhof zu eng waren, wurden die Festgenommenen zu einer Polizeiwache gefahren. Dazu wurden ihnen die Hände mit Kabelbinder auf dem Rücken zusammengebunden. Alle Utensilien, auch die Handys, wurden ihnen abgenommen und - wie bei der Polizei üblich - in einem Plasticsack verstaut um den Hals gehängt. So konnten die Betroffenen niemanden kontaktieren. In der Polizeiwache mussten sie, noch immer mit verbundenen Händen, zum Teil stundenlang auf ihre Befragung warten. Nicht einmal die noch immer tränenden Augen habe man sich dabei auswischen können, erzählte ein Fan der NZZ. Betroffene verpassten nach ihrer Entlassung den letzten Zug. Eltern blieb nichts anderes übrig, als nach Zürich zu fahren, um ihre Kinder abzuholen.

 
 
Sicherheit & Verantwortung Anschnallen?

[...] «finde ich noch folgenden Umstand schockierend: Als man mir meine persönlichen Sachen am Bahnhof abnahm, hat man mir auch meinen Asthma-Spray abgenommen. Ich bat den Polizisten ihn mir zu lassen, aber er meinte, er (der Spray) sei ja in meinem Sack (welcher ja um meinen Hals hing und ich mit meinen gefesselten Händen nicht erreichen konnte, ausserdem hatte ich in der Zelle diesen Sack und somit den Spray nicht mehr…). Wenn ich im Kastenwagen einen Asthma-Anfall erlitten hätte, hätte mir niemand helfen können!»

Während der Fahrt im Kastenwagen fürchtete ein Festgenommener um sein Leben: «Die Polizistin raste mit Blaulicht durch die Strassen, riss eine Vollbremsung, und einige Verhaftete prallten kopfvoran in eine Metallwand»

 
   
Titulierungen

[...] «Auch ich war am Samstag auf dem Extrazug unterwegs. Ich wurde dann in der Folge von Polizisten zu Boden gedrückt, gewürgt, und mir wurde die Nase zugehalten, bis ich fast nicht mehr atmen konnte. Dann wurden meine Hände mit Kabelbindern festgeschnallt, so fest, dass ich heute noch einen kleinen Bluterguss an beiden Händen habe. Auch ich wurde als «Scheiss-Hooligan» oder «Solche wie dich brauchen wir hier in Zürich nicht» beschimpft. Als der Wagen losfuhr, wurden wir zum Kreisposten transportiert. Dort lief es dann ab wie - ich kann es nicht anders beschreiben - wie in einem KZ! Zuerst reingehen, Nummer auf die Hand, Fototermin, anschliessend in die Grosszelle und dann wieder in eine kleine Zelle, worin man rund eineinhalb Stunden auf das Verhör warten konnte.»

 
   
Hygiene vor der Kaserne Erste Hilfe

B. wartet mit hundert andern immer noch gefesselt vor der Kaserne, es ist «saukalt». Schal, Mütze und Handy baumeln an seinem Hals. Personen, die aufs WC wollen, wird gesagt: «Das hättest du am Morgen tun können.» Die Männer öffnen sich gegenseitig mit den auf dem Rücken gefesselten Händen den Hosenschlitz, helfen sich beim Urinieren, mehrere pinkeln sich in die Hosen, manche müssen erbrechen.

[...] bereits seit einer Stunde vor der Kaserne im Freien, immer noch mit Kabelbindern gefesselt. P. bekommt Nasenbluten. Auch auf wiederholtes Nachfragen wird ihm die Fesselung nicht gelöst. Aus einem Fenster werden Papiernastücher geworfen. «Machs doch selber weg», meint ein Polizist. Schliesslich kann Pablo das Bluten stillen, indem er die Nase an einen Metallpfosten drückt.

 
 
Kinderfreunde

Ein heisssporniger FCB-Fan ist der 14-Jährige nicht, besitzt nicht einmal einen Fan-Schal. Dennoch wurde der Basler vergangenen Sonntag auf dem Bahnhof Zürich-Altstetten verhaftet. Portemonnaie, Handy, Handschuhe, Mütze und Schal nahmen ihm die Beamten gleich weg. «Wie ein Verbrecher musste ich breitbeinig an der Wand stehen.» Dann schnürten sie ihm die Hunde mit Kabelbindern auf dem Rücken zusammen. Warum er verhaftet worden ist, sagt ihm niemand. F. hat Angst.
Mit hunderten weiteren Verhafteten aus dem FCB-Sonderzug steht F. bei Temperaturen von einem Grad unter null im Hof der Polizeikaserne - die Hände noch immer in Kabelbindern. Er schlottert. Als einer aufs WC wollte, sagte der Polizist nur: «Schiff doch id Hose.» Da traute sich Fabio nicht mehr zu fragen. Nach vier Stunden darf er endlich an die Wärme. Er wird in einem Büro fotografiert. Mit rund 150 anderen wartet er auf die Einvernahme. Fabio setzt sich auf den Boden, ist verzweifelt. Er hat Durst. Doch der Jüngste, der bei der umstrittenen Polizeiaktion verhaftet wurde, getraut sich nicht, nach Wasser zu fragen.

 
   
Heimkehr Was bleibt ...

«Am Sonntag versuchte ich, wie üblich nach einem Auswärtsspiel, meinen Sohn (15 Jahre) auf dem Handy zu erreichen. Das Handy war ausgeschaltet. Erst um 20.15 Uhr erhielt ich ein Telefon der Polizei Zürich, die mich informierte, dass mein Sohn festgenommen wurde und eine Anklage wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erhoben werde (erhatte keine Feuerwerkskörper dabei und keine Flaschen und hat sich nicht auffällig verhalten). Als er endlich um 22.30 Uhr zuhause ankam, war er total aufgewühlt, frustriert und wütend. An den Handgelenken hatte er rote Striemen von den Kabelbindern, mit denen seine Hände drei Stunden auf dem Rücken gefesselt waren, und im Nacken hatte er Schürfungen vom Plastiksack, in dem die persönlichen Sachen verstaut wurden. Er durfte während dieser Zeit nicht telefonieren und die Toilette nicht aufsuchen»

«Nebst den Unkosten, die für ein nicht gesehenes Spiel und für eine Zugfahrt, die mit einer Fahrt in die Hölle verglichen werden kann, bleiben Emotionen wie Wut und Unverständnis zurück. Ich kann bis jetzt nicht verstehen, dass es in einem Land wie unserem so weit kommen konnte, und ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich solch einen Tag je erleben würde. Eines ist sicher: Das Bild, wie mein bester Freund aus Kindertagen gefesselt und in einem Kastenwagen der Polizei Zürich an mir vorbei ins Ungewisse abtransportiert wird, wird mich noch lange Zeit begleiten.»

«Am nächsten Tag sind an seinen Handgelenken immer noch die Einschnitte der Kabelbinder zu sehen, daneben die mit Filzstift aufgemalte Verhaftungsnummer.»

 
 
Kontrastprogramm

Zitat Jürg Zingg, Einsatzleiter der Zürcher Stadtpolizei: «Dass es zu Wartezeiten beim Toilettengang kam, ist verständlich. Wir mussten die Leute einzeln aufs WC begleiten. Der Vorwurf, dass unsere Beamten die Verhafteten gedemütigt und verunglimpft haben, stimmt nicht. Das Verhalten von Stadt- und Kantonspolizei war hochprofessionell

Quellen: Basler Zeitung, Blick, NZZ, Woz