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  Das Gewaltmonopol in der Praxis
Gewaltexzesse, Desinformation und Drohungen
Wie die Basler Polizei ihre De-Eskalationstaktik umsetzt
Okt. 2003
 


Vor einem Jahr führten - vorwiegend unter dem Vorwand der Bekämpfung des Drogenhandels - Polizeiübergriffe auf ausländische Menschen zu Schlagzeilen («Razzien gegen Schwarze am Rhein»). Seit einigen Monaten sorgt das schlagkräftige Wirken des Gewaltmonopols auf immer breitere Bevölkerungsschichten für Aufsehen. Eine (unvollständige) Zusammenstellung einiger Vorkommnisse:

 
 
  • Anfang 2003 nimmt der Abwart eines Schulhauses einer Basketball spielenden Gruppe Jugendlicher den Ball weg. Als die Kids insistieren und einer versucht, den Ball zurückzuholen, avisiert der Abwart die Polizei. Ein Grossaufgebot fährt ein, «beruhigt» einen 14-jährigen Jamaikaner mit Pfefferspray, verpasst ihm Handschellen und nimmt ihn mit. Zwei Monate (!) versenkt man den Minderjährigen in Gesellschaft eines mutmasslichen Mörders in Untersuchungshaft und steckt ihn dann «zu weiteren Abklärungen» nochmals für zwei Monate ins Aufnahmeheim. Nun erwartet ihn ein Prozess wegen «Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Tätlichkeiten gegen einen Schulhausabwart».
     
  • Am 22. März 2003 werden 170 Demonstrierende auf der Mittleren Rheinbrücke eingekesselt und über Stunden festgehalten. Nebst Gummigeschossen und Tränengas werden die Betroffenen Personenkontrollen ausgesetzt und schliesslich mit der Ankündigung eines Verfahrens wegen Landfriedensbruchs einzeln entlassen.
    In den folgenden Stunden und Tagen erfolgt eine eigentliche Jagd auf «potenzielle DemonstrantInnen». Mehrere gewaltsame Übergriffe - auch gegen Personen, welche mit den Demonstrationen nichts zu tun haben - werden bekannt und ein «Komitee besorgter Eltern» sorgt mit schweren Vorwürfen für Aufmerksamkeit.
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  • Gleich zwei Vorfälle ereignen sich am Abend des 22. März 2003 in der Nähe des Bahnhofs - weitab von der Demo: Zivilbeamte packen einen 22-jährigen Mann, ziehen ihm den Pulli über den Kopf, fesseln ihn, werfen ihn zu Boden, beschimpfen ihn und traktieren ihn mit Fusstritten. Die protestierende Freundin wird mit drei heftigen Ohrfeigen «ruhig gestellt». Blutend und ohne eine Decke muss der Verprügelte die Nacht in einer Zelle verbringen.
    Einige Strassenzüge weiter wird gleichzeitig ein Jugendlicher, der ein Stück Papier angezündet hat, von fünf Beamten verprügelt und in einen Kastenwagen gezerrt.
 
  • Bei einer Polizeikontrolle in der Elisabethenanlage (23. März) wird ein 17-Jähriger zu Boden geworfen und mehrmals von einem Polizeihund gebissen. Als er vor Schmerz schreit, wird sein Kopf auf den Boden geschlagen. Nach einem Aufenthalt auf der City-Wache wird er in Handschellen ins Kantonsspital überstellt und schliesslich - mangels Tatbestand - freigelassen.
    Ähnliches erlebt gleichentags ein anderer 17-Jähriger, der am Barfi einen Streit zwischen seinen Freunden und Hooligans schlichten will. Die einschreitende Polizei kümmert sich nicht um die Aggressoren, sondern packt den Jugendlichen und wirft ihn zu Boden, wo er von einem Polizeihund in Ellbogen und Oberschenkel gebissen wird.
     
  • Am 24. März wird ein 25-jähriger Velofahrer von Zivilbeamten gestoppt. Auf die Frage nach dem Grund der Kontrolle wird der Mann zu Boden geworfen, sein Kopf gegen den Asphalt gedrückt. Es folgen Fesselung und Verfrachtung auf die City-Wache, wo er nach Schlägen und Fusstritten eine Stunde nackt in eine Zelle gesperrt wird, bevor man ihn entlässt. Ein Arzt stellt Spuren von Misshandlungen fest.
     
  • Am Rand der 1.-Mai-Feier kommt es zu Provokationen Rechtsradikaler. Die Polizei geht jedoch nicht gegen diese vor, sondern verfolgt einen jungen Antifaschisten. Dabei wird ein unbeteiligter Beobachter der Ereignisse von einem Polizeihund gebissen. In Verkennung der Realität wird das Opfer anschliessend von der Polizei als «Krawallant» diffamiert und aufgrund seiner Anwesenheit am Ort des Geschehens mit der Androhung einer Anzeige wegen Landfriedensbruchs konfrontiert.
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  • Im Anschluss an FCB-Spiele kommt es in Basel immer wieder zu Übergriffen von offensichtlich überforderten Polizeibeamten auf Matchbesucher.
    [Beispiel 1] [Beispiel 2]
     
  • Im Sommer finden mehrere (rechtlich äusserst fragwürdige) Polizeieinsätze gegen alternative Lebensformen an der Elsässerstrasse statt. Menschen werden malträtiert, Leben gefährdet, Privateigentum zerstört und legal gemietete Räumlichkeiten unbenutzbar gemacht. Die Polizei versucht, eine Protestkundgebung durch Präventiv-Verhaftungen und Beschlagnahmung von Kundgebungsmaterial zu verhindern. Die Festgenommenen werden einer entwürdigenden Behandlung unterzogen, beschimpft und teilweise misshandelt.
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  • Im August wird ein angetrunkener Student von einer Polizeipatrouille angehalten und auf den Posten verbracht. Der junge Mann versucht heimlich, mittels Handy seinen Bruder zu erreichen, damit dieser Zeuge der von den Beamten ausgestossenen Drohungen und Beleidigungen wird. Die Polizisten zerstören das Handy, werfen den Festgenommenen auf den Boden, schlagen ihn und setzen ihn nackt in eine Zelle. Erst am nächsten Tag wird er freigelassen.
 

De(?)-Eskalationstaktik

Glaubt man den offiziellen Verlautbarungen des Polizeikommandos, dann wird in Basel eine strikte De-Eskalationstaktik befolgt. Dies bestätigt sich insofern, als dass sich uniformierte Polizeikräfte während Demonstrationen meist diskret im Hintergrund aufhalten und sich auch einmal zurückziehen, wenn eine Situation kritisch wird.

Anders sieht jedoch der Mikrokosmos auf der Ebene einzelner «OrdnungshüterInnen» aus, speziell dann, wenn Aktionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. So häufen sich beispielsweise Berichte über unnötige Gewaltanwendung bei Kontrollen. Würgen, an die Wand pressen, an den Haaren zerren, auf den Boden werfen - dies sind immer wieder geschilderte Tätlichkeiten. Dazu kommen verbale Entgleisungen, vom «Duzen» bis hin zu rassistischen, sexistischen und gewaltandrohenden Verbalattacken.
Wer auf den Posten mitgenommen wird (selbstverständlich in Handschellen), muss mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass dort die Beschimpfungen weitergehen und dass ein umfangreiches Demütigungs- und Einschüchterungs-Prozedere bevorsteht; angefangen bei erkennungsdienstlichen Massnahmen bis hin zur Verletzung der Intimsphäre. Den Abschluss bildet meist der Einschluss in eine Zelle - oftmals nackt.

Dass sich eine solche Behandlung nicht eben de-eskalierend auf das zukünftige Verhältnis zwischen Opfern und Staatsgewalt auswirkt, liegt auf der Hand.

Kesseltreiben gegen Feindbilder

Mehr als fragwürdig sind auch andere Methoden, mit welchen die Polizei vorab jungen, politisierten Menschen die Teilnahme an Kundgebungen nachhaltig vergällen will: da werden Leute gleich reihenweise registriert, vorgeladen und mit der Eröffnung eines Verfahrens wegen Landfriedensbruchs konfrontiert. Aus Aufmüpfigkeit oder auch nur aus Unverständnis von Seiten der Betroffenen resultieren postwendend Anzeigen wegen «Diensterschwerung», «Drohung und Gewalt gegen Beamte» usw. und wer es wagt, seine Erfahrungen öffentlich zu machen, erlebt als Bonus eine Diffamierung durch den polizeilichen Propagandaapparat. Via Pressecommuniqué wird dann mitgeteilt, dass die Polizei immer «im Recht» sei, «besonnen und verhältnismässig» gehandelt habe und die Opfer selbst Schuld hätten, wenn es einmal etwas ruppig zugehe. Wer Übergriffe schildert, sieht sich selbst schnell als «Lügner» abgestempelt, friedliche Kundgebungsteilnehmende werden zu «Chaoten» aufgebauscht, Jugendliche in Festlaune als besoffene «Randalierer» verunglimpft. Harmlose Utensilien des Alltags mutieren im Licht der Polizeiberichterstattung zu «Krawallmaterial» oder gar zu «gefährlichen Waffen» und ihre BesitzerInnen zu «gewaltbereiten» Feinden des Rechtsstaates. Die Unschuldsvermutung gilt nur bezüglich der Taten von PolizistInnen.

Bei solchen Verhaltensweisen der Beamten wird das Reden von einer «De-Eskalationstaktik» zur Farce. Die propagierte Taktik wird in den unteren Chargen nicht akzeptiert und umgesetzt. Nur wenn Rambos, Rassisten und Schläger in den eigenen Reihen nicht automatisch gedeckt, sondern endlich zur Rechenschaft gezogen werden, verdient die De-Eskalationstaktik ihren Namen.